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Treibland

Treibland

Titel: Treibland
Autoren: Till Raether
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Sau.
     
    «Und was machst du als Erstes, wenn du wieder draußen bist?», fragte Leslie, ihre Stimme durch den Lautsprecher wie matt glänzendes Metall.
    «Steuererklärung», sagte Danowski.
    «Ja, man fühlt sich einfach besser, wenn man die hinter sich hat.»
    «Mein Reden.»
    «Vielleicht auch mal Urlaub.»
    «Du meinst, eine Kreuzfahrt?»
    «Mittelmeer, zur Abwechslung? Obwohl Newcastle ja auch sehr schön sein soll.»
    «Mittelmeer, aber nur ohne Schiff», sagte Danowski, einen Tick ernster, und lehnte sich an die Scheibe in Richtung seiner Frau. «Irgendwas ganz Normales, zum Runterkommen.»
    «Mallorca. So was.»
    «Ja», sagte er. «Warum nicht.»
    «Ganz in Ruhe, nur wir als Familie», sagte Leslie. «Sobald die Schulferien anfangen.»
    «Du meinst so mit Finca, Windrad, Olivenbäumen? Das Hinterland soll ja sehr schön sein.»
    Sie nickte, und dann lachte sie, denn er senkte seinen Mund an die Scheibe, er presste seine Lippen dagegen im vollen Bewusstsein, wie albern das aussehen musste, und dann küssten sie beide das etwa drei Zentimeter dicke Glas an genau der gleichen Stelle, mittelbar also einander, und er fand, dass es vergleichsweise gut war.
    Mallorca, dachte er. Von mir aus.

[zur Inhaltsübersicht]
    Nachbemerkung
    Vor einiger Zeit hätte ich meinen Vater beinahe über Bord eines Kreuzfahrtschiffes geworfen. Kurz danach hatte ich die Idee zu «Treibland».
    Im Prinzip haben mein Vater und ich ein gutes Verhältnis; ich war froh, dass er mich auf meiner Reise begleitete. Aber ich war es nicht mehr gewöhnt, so viel Zeit auf relativ engem Raum mit ihm zu verbringen, und Kreuzfahrtschiffe machen seltsame Dinge mit einem. Trotz Animation und gelegentlich vorbeiziehender Landschaft schmort man doch ganz schön im eigenen Saft. Und hat vielleicht zu viel Zeit, sich gegenseitig auf die Nerven zu gehen. Jedenfalls gab es diesen Moment, als er neben mir an der Reling stand, und ich dachte: Wenn er jetzt nicht aufhört, mir Vorträge zu halten, werfe ich ihn über Bord. Stattdessen habe ich dann an einer der zahllosen Bars zu einem Whisky eingeladen, und dann zu noch einem.
    Überhaupt fiel mir auf, dass hin und wieder an Bord eine gereizte Stimmung aufflammte, eine Mischung aus Verunsicherung und Aggressivität: wenn man in einer Menschenmenge zu lange vor dem Restaurant warten musste, oder die Ausschiffung nicht losging, oder wenn Landgänge wegen hohen Seegangs gestrichen wurden, obwohl das Meer spiegelglatt erschien. An Bord eines Schiffes ist man fremdbestimmt, und manchmal nimmt einem dieses Gefühl fast den Atem. Was würde passieren, wenn alle Passagiere zwei Wochen länger an Bord bleiben müssten, als sie geplant hatten? Im Hafen, in Sichtweite des rettenden Ufers? Und was wäre eine Geschichte, die man dazu erzählen könnte? Wohl eine mit tödlichen Viren, Single Malt Whiskys, afrikanischen Fetischen, Auftragsmörderinnen, Komplotten und gescheiterten Ehen. Und zwar in Hamburg, denn wo sonst wäre es grausamer, an Bord eines Schiffes im Hafen zu liegen und nicht an Land gehen zu dürfen.
    Allein kann ich so was nicht, deshalb danke ich: Michael Gaeb und allen von der gleichnamigen Literaturagentur sowie Grusche Juncker und ihren Kolleginnen und Kollegen bei Rowohlt Polaris und Rowohlt, dass dies ein Buch geworden ist. Den Kolleginnen und Kollegen, die mir geholfen haben: Stephan Bartels, Simone Buchholz, Patrick Charles, Diana Helfrich, Christine Hohwieler und Andreas Koseck. Allen, die mich mit Ideen und Antworten unterstützt haben, darunter: Thomas Bober, Wido Groell, Dirk Lange, meiner Rheingauer Polizei-Verwandtschaft, Rozonda Salas und Kitty, Alena Schröder, Wiebke Tens, Susanna Tromm sowie Holger Vehren (Hauptkommissar Vehren hat mir die Organisation und Arbeitsweise der Hamburger Mordbereitschaften erklärt; dies hat mich angeregt, aber nicht dazu, die Realität abzubilden). Katja Danowski für den schönen Namen. Meiner Mutter und meiner Schwester für die Krimis, meinem Vater für die Kreuzfahrt.
    Das 26 . Kapitel ist inspiriert von Richard Prestons Text über die Reise eines Ebola-Infizierten in seinem Sachbuch «The Hot Zone», New York 1994 . Der Mythos vom schreienden Herz stammt aus Carl Einsteins «Afrikanische Märchen und Legenden», Berlin 1925 . Kathrin Lorschs Sprichwörter sind aus «The Little Book of African Wisdom» von Patrick Ibekwe, Oxford 2002 , und aus dem Museum für Völkerkunde Hamburg. Dort kann man auch einen beeindruckenden kongolesischen Nagelfetisch
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