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Traumlawine

Traumlawine

Titel: Traumlawine
Autoren: Hubert Haensel
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Melodie wurde lauter. Auch die anderen Piraten schienen ihr Vorhaben zu vergessen. Einige von ihnen krümmten sich wie unter unsichtbaren Hieben.
    Die unheimlichen Töne wurden schriller. Sadagar fühlte eisige Schauder. Es fiel ihm schwer, sich umzuwenden, aber dann entdeckte er die Ursache dieser grauenvollen Klänge.
    Joby hielt ein fremdartiges Instrument an seinen Lippen.
    Gerreks Zauberflöte! durchzuckte es den Steinmann.
    Der Junge blies aus Leibeskräften. Was er dem Instrument entlockte, schmerzte nicht nur den Ohren, es ging durch Mark und Bein und rief die unangenehmsten Empfindungen hervor.
    Trobus starrte den Steinmann an. Unbeschreibliches Grauen sprach aus seinem Blick. Als Sadagar die Hände nach ihm ausstreckte, warf er sich jäh herum und floh schreiend. Die anderen folgten ihm so schnell, als wären sie dem Herrn aller Dämonenheere selbst begegnet.
    Nexapottl kauerte auf einem Felsblock und hielt sich krampfhaft die Ohren zu. Er grinste und sandte den Piraten laute Flüche hinterher.
    »Aufhören, Joby!« rief er dann. »Es langt.«
    Der Junge konnte wohl nicht verstehen, was der Königstroll von ihm wollte, doch allein dessen Gesten verrieten genug. Zögernd nahm er die Flöte von den Lippen.
    »Endlich«, stöhnte Sadagar. »Dieses Gewimmer hält niemand lange aus.«
    »Aber die Piraten sind verschwunden«, trumpfte Joby auf.
    Sadagar ging nicht darauf ein.
    »Woher hast du die Flöte?« wollte er wissen.
    »Von Gerrek.«
    »Geklaut?«
    »Natürlich. Was sonst?«
    »Sie gehört dem Beuteldrachen. Wie oft muß man dir noch sagen, daß anderer Leute Besitz nicht dazu da ist, um…?«
    Joby zeigte ein spöttisches Grinsen, das den Steinmann abrupt verstummen ließ.
    »Hätte ich dir ohne die Flöte das Leben retten können? Du siehst also, wie sinnvoll es ist, Besitz aufzuteilen.«
    »Streitet euch nicht.« Nexapottl rutschte von seinem Felsblock herab. »Wir sollten lieber zusehen, daß wir weiterkommen. Sobald die Piraten sich von ihrem Schreck erholt haben, werden sie zurückkommen.«
    »Dann spiele ich wieder…«
    »Diesmal sind sie darauf vorbereitet. Und wer weiß, ob die Flöte erneut dieselbe Wirkung zeigt.«
    »Die Piraten sind landeinwärts geflohen«, stellte Sadagar fest. »Wir müssen ebenfalls in diese Richtung.«
    »Wenn du lieber umkehren willst…«
    »Nein, nein«, erwiderte der Steinmann erschrocken. »Ich meine nur, daß wir vorsichtig sein sollten.«
*
    Als die Krieger die ersten Reiter am Horizont gewahrten, ging ein Aufheulen durch ihre Reihen. Manche hasteten blindlings davon, stolperten mehr, als sie wirklich vorwärtskamen, andere rissen die Waffen hoch, und in ihren Gesichtern stand der unbeugsame Wille geschrieben, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen.
    Die lange Reihe der Reiter kam rasch näher. Es mußten Hunderte sein. Das anhaltende Gewitter übertönte den Hufschlag ihrer Pferde.
    Die ersten Krieger flohen an Mythor und Glair vorbei, ohne die beiden wahrzunehmen. In ihren ausgemergelten, knochigen Gesichtern war jeder Lebenswille fast gänzlich erloschen. Die Spuren vieler Kämpfe hatten sie gezeichnet, entbehrungsreiche Märsche durch verwüstetes Land lagen hinter ihnen.
    »Sie sind am Ende ihrer Kräfte«, bemerkte die Wetterhexe. »Die Reiter werden sie zusammentreiben wie eine Herde Vieh.«
    Bis auf wenige hundert Schritte waren beide Heere sich nun nahe. Eine beinahe tödliche Stille hielt Einzug, nur unterbrochen vom Schnauben der Pferde und gelegentlichem Waffenklirren. Die Rüstungen der Reiter wiesen kaum Spuren gegnerischer Waffen auf.
    »Es sind Amazonen«, stellte Glair freudig fest.
    Die meisten von ihnen trugen das Zeichen des Schwertmonds auf den Helmen. Andere führten die Wappen des Blitzes und des Zwillings in ihren Schilden.
    »Kannst du Burra irgendwo erkennen?« fragte Mythor unwillkürlich. Aber Zaems Heerführerin schien dem Trupp nicht anzugehören.
    Schwertlanzen richteten sich auf die Verfolgten, Schwerter wurden drohend emporgewirbelt. Die Pferde begannen unruhig zu werden, manches von ihnen brach aus der wartenden Reihe aus und war nur schwer zu zügeln.
    Die Krieger nutzten die ihnen verbliebene Frist, um aus ihren Schilden einen Schutzwall aufzurichten.
    »Es wird ein Gemetzel geben«, sagte Glair tonlos. »Viele der Männer sind erschöpft und können sich kaum mehr auf den Beinen halten, Gorgan wird die Schlacht verlieren.«
    Mythor zuckte zusammen.
    »Wieso Gorgan?« fragte er. »Zweifelte nicht Ambe daran, daß es ein Kampf der
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