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Traumlawine

Traumlawine

Titel: Traumlawine
Autoren: Hubert Haensel
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1.
    Der Nebel, der Carlumen seit kurzem einhüllte, wurde zunehmend dichter. Aus dem Nichts heraus griff er mit tausend gierigen Klauen nach der Fliegenden Stadt. Angespannt suchte Mythor die dräuende Finsternis zu durchdringen, aber er gewahrte nur seltsame Lichterscheinungen in unbestimmbarer Ferne.
    Da war wieder der Hauch des Bösen, der von überallher zu kommen schien. Fast körperlich glaubte Mythor, die Nähe der Schlange Yhr zu spüren, denn Carlumen lag fest in ihrem Würgegriff.
    Die Rechte auf dem Knauf des Gläsernen Schwertes, fuhr er herum, als hinter ihm Geräusche laut wurden. Leise Schritte waren es, die jetzt zögernd verhielten.
    Der Nebel schien aufzuwallen. Mythor vermochte nur einige verschwommene Schatten auszumachen. Langsam tastete er sich am Rand des gut zehn Schritte durchmessenden Wurzelstocks vorwärts. Einst wuchs hier ein Baum des Lebens, doch die Dunkelmächte hatten ihn gefällt. Selbst der gut dreifach mannshohe Trieb war verdorrt. Es hieß, daß bessere Zeiten kommen würden, sobald der Lebensbaum neu erblühte.
    Jemand atmete leise. Der Sohn des Kometen glaubte, nur einen Arm ausstrecken zu brauchen, um diesen Jemand zu berühren.
    »Mythor…«
    Zögernd klang Fronjas Stimme, gänzlich anders als gewohnt. Vielleicht war es auch der Nebel, der ihr einen Hauch von Furcht verlieh.
    Ein dumpfes Pochen erfüllte die Luft.
    Dann war wieder Stille, nur unterbrochen vom gelegentlichen Knistern der Segel, wenn ein lauter Windstoß sie bauschte.
    Haar von der Farbe reifen Sommerweizens wehte durch die Düsternis. Einem flüchtigen Schemen gleich glitt es vorüber.
    »Fronja!« rief Mythor.
    Die Tochter des Kometen kam auf ihn zu. Ihre Lippen schenkten ihm ein Lächeln, das für einen flüchtigen Augenblick vergessen ließ, und in ihren Augen stand lodernde Glut.
    Ehe sie etwas sagen konnte, ergriff Mythor ihren Arm und zog sie zu sich heran. Sein Mund war dem ihren nahe, als sie überraschend den Kopf zurückbeugte.
    »Nicht«, hauchte sie. »Alles ist so sinnlos.«
    Es war wie eine eisige Dusche, und es fiel ihm schwer, zu verstehen. Was hatte er getan, daß Fronja ihn zurückwies?
    »Ich«, begann er, doch zwei Finger verschlossen ihm sanft die Lippen.
    Wieder dieses Pochen, nur lauter diesmal. Es klang seltsam verzerrt durch den Nebel.
    Ein klein wenig Verzweiflung zeichnete sich in Fronjas Augen ab. Aber auch ein Schimmer von Hoffnung.
    »Was habe ich falsch gemacht?« flüsterte Mythor. »Seit Tagen kann ich fühlen, daß sich etwas in dir verändert, Fronja. Du weichst mir aus, verschließt dich vor mir. Was ist los?«
    »Weißt du es nicht längst?«
    »Ich begehre dich, Fronja, wie keine andere Frau vor dir. Dich unglücklich zu sehen, würde mir das Herz brechen. Wenn ich einen Fehler begangen habe, sage es mir, aber weise mich nicht wortlos ab wie einen dummen Jungen.« Vorwurfsvoll klangen seine Worte. Die ehemalige Erste Frau Vangas zuckte merklich zusammen.
    »Wenn ich mir deiner sicher sein könnte…«
    Anstelle einer Antwort zog er sie erneut an sich. Doch Fronja entwand sich seinem Griff; ein Schatten huschte über ihr ebenmäßiges Antlitz.
    »Ich würde alles für dich geben. Verlangst du einen Beweis meiner Liebe?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sind es wirklich deine eigenen Gefühle?«
    Mythor schwieg betreten. Seine Gedanken begannen sich zu überschlagen.
    »Dieser verdammte Liebeszauber«, platzte er schließlich heraus. »Ich könnte die Hexe verwünschen, die uns das angetan hat.«
    »Du urteilst vorschnell, weil du glaubst, verzweifeln zu müssen. Versuche, nüchtern darüber nachzudenken. Hättest du ohne diesen Zauber jemals den Weg zu mir gefunden? Das ist der Preis, den wir beide dafür zahlen müssen.«
    Er wollte noch soviel sagen, wollte ihr endlich klarmachen, daß sie sich täuschte, daß er längst in wirklicher Liebe zu ihr entflammt war und ihr Mißtrauen ihn schlimmer quälte als der Gedanke an die Allgegenwart der Schlange Yhr, aber die Ereignisse ließen ihm keine Zeit mehr dazu.
    Das laute Heulen des Windhorns bedeutete Gefahr.
    Verzerrte Stimmen drangen durch den Nebel. Mythor hörte die Schreie der Amazonen, das Rufen von Caerylls Kriegern.
    Das dumpfe Pochen hatte sich verändert. Es klang nun wie das Dröhnen wuchtiger Rammstöße gegen ein massives Burgtor. Und es kam aus allernächster Nähe.
    Magische Feuer flammten auf, durchdrangen den Nebel wie glühende Augen. Trotzdem wurde die Sicht nur unwesentlich besser.
    Entlang der Flugdrachen
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