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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schildchen wies darauf hin. Es gab keine Klingel, aber man hatte ja eine Faust, um laut an die Tür zu klopfen.
    Dronow war ein Mann Mitte der Sechzig mit weißen schütteren Haaren. Seine vier Kinder waren verheiratet und hatten sich über ganz Rußland verstreut, die eine Tochter sogar bis Orel. Dronows Frau war vor zwei Jahren nach einer Gallenoperation gestorben, und seitdem lebte er in seiner Wohnung mit einer chinesischen, goldgelben Katze und einem Papagei, in der ständigen Angst, man könne ihm die Wohnung wegnehmen, weil sie zu groß für einen einzelnen Mann sei.
    Immer, wenn es klopfte, schlug er ein heimliches Kreuz, denn er hatte keine Freunde, die ihn besuchten. Wenn eines seiner Kinder zu Besuch kam, meldete es sich vorher an.
    So öffnete er auch jetzt die Tür nur einen Spalt weit und spähte in das Treppenhaus. Sein Blick fiel zuerst auf Milda, und das beruhigte ihn. So ein nettes Frauchen wird nicht von der Wohnungsverteilungsstelle geschickt.
    »Ich soll Sie grüßen von dem Postschaffner Lumeneff, Väterchen«, sagte Milda freundlich. »Es geht ihm gut …«
    Dronow stieß die Tür auf und atmete befreit auf.
    »Kommt herein, meine Lieben!« sagte er erfreut. »Ist das eine Nachricht! Der gute Lumeneff! Ein fleißiger Beamter! Der Sohn einer Kusine zweiten Grades, müßt ihr wissen. Hat den richtigen Riecher gehabt … wird Beamter bei der Post! Braucht sich im Alter keine Sorgen zu machen! Kommt, setzt euch! Ich koche uns Tee …«
    Er war ein lieber Mensch, dieser Saweli Jefimowitsch. Er rannte herum wie ein Wieselchen, bediente seinen Besuch, holte aus der Bäckerei im Erdgeschoß Schmalzgebäck und Eierkringel, und war sichtbar glücklich, daß die Eintönigkeit seines Daseins für ein paar Stunden aufgehellt wurde.
    »Wir möchten gern bei Ihnen wohnen, Väterchen«, sagte Milda, nachdem sie den Tee getrunken hatten. »Vielleicht drei Tage. Ist das möglich?«
    »Lumeneffs Freunde sind meine Freunde! Natürlich könnt ihr bei mir wohnen. So lange ihr wollt …«
    Er sah Milda geradezu dankbar an und nickte dem stillen Forster zu.
    Der hatte bisher nur ein paar Worte gesagt und dem Väterchen erklärt, er stamme aus dem Baltikum. Daher die merkwürdige Färbung seiner russischen Sprache …
    »Noch einmal eure Namen, bitte! Ich habe sie in der Freude glatt vergessen!«
    »Das ist Wanja Antonowitsch Forsterew, und ich heiße Milda Tichonowna Forsterewa.«
    Dronow zeigte ihnen das Zimmer. Ein schmaler Raum mit einem noch schmaleren Fenster zum Hinterhof, kärglich eingerichtet mit einem Schrank, einem Tisch, zwei Stühlen, einem Waschbecken und einem normalen Bett.
    »Macht es euch gemütlich«, sagte Dronow. »Ich bin kein reicher Mann, Wanja Antonowitsch. Habe es damals verpaßt, Beamter zu werden wie Lumeneff. Aber ich bin zufrieden.«
    »Was will man mehr«, antwortete Forster. »Ich danke Ihnen, Saweli Jefimowitsch!«
    Dann standen sie allein in dem engen Zimmer, die Koffer zwischen sich, und sahen sich an.
    Sie wußten jeder, was der andere dachte.
    »Du hast dich Forsterewa genannt …«, sagte Forster leise. »Meine Frau …«
    »Es mußte so sein«, antwortete Milda und bekam ganz dunkle Augen. »Sollte er aufmerksam werden?«
    »Nur deshalb, Mildaschka?«
    Sie schwieg, bückte sich, hob einen der Koffer aufs Bett und begann, ihn auszupacken.
    Am Abend ging Dronow früh ins Bett. Er hatte zuviel Wodka getrunken, den Forster spendierte, hatte dann aus seinem Leben erzählt und war, total erschöpft von der plötzlichen Freude, so liebe Gäste zu haben, plötzlich verschwunden.
    »Schlaft euch aus!« sagte er noch und schwankte in seine Kammer. »Laßt euch nicht durch mich stören. Ein alter Mann bestiehlt die Nacht … ich bin früh wieder auf. Aber ich werde auf Strümpfen laufen, um euch nicht zu wecken …«
    Forster wusch sich noch in dem kleinen Waschkabinett, das Dronow besaß – es war, wie gesagt, ein recht gutes Haus –, und ging dann zurück in das Schlafzimmer.
    Milda saß auf der Kante des Bettes. Sie hatte die Decken zurückgeschlagen, die Kissen nebeneinandergelegt und die Vorhänge zugezogen. Von der Decke baumelte eine trübe, schutzlose nackte Glühbirne.
    Und irgendwie schutzlos kam sich auch Milda vor … Sie hatte sich ausgezogen bis auf ein kurzes Hemd, hielt die Knie zusammengepreßt und hatte das Hemdchen bis zu den Hüften heruntergezerrt. Ihre Hände lagen in ihrem Schoß und zitterten deutlich.
    Zum erstenmal sah Forster fast unverhüllt ihre schönen
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