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Sphaerenmusik

Sphaerenmusik

Titel: Sphaerenmusik
Autoren: Margarete Friedrich
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Joan Galini eilte durch die Straßen von Rimini. Es ging schon auf den Abend zu, aber noch immer brannte die Sonne heiß vom Himmel herunter. O bwohl sie bereits seit vielen Jahren mit ihrem Mann Mario in Italien lebte, hatte sie sich noch nicht an das Klima des Landes gewöhnen können.
     
    Ihr Ziel war die Cafeteria Brioni, in der Mario als Kellner arbeitete und ihr elfjähriger Sohn Sandro den Gästen auf seiner Geige vorspielte. Es war nicht ihr Wille gewesen, und sie machte sich oft bittere Vorwürfe, dass sie sich nicht energisch genug dagegen gewehrt hatte.
    Es hatte vor drei Jahren begonnen, als ihr Schwiegervater starb. Unter den wenigen Dingen, die er seinem Sohn hinterließ, befand sich eine Geige. Joan und Mario wollten sie verkaufen, aber Sandro bat sie so sehr darum, dass sie ihm das I nstrument schenkten.
    Was die Eltern nicht wussten, war, dass Sandro bereits Geige spielen konnte. Er hatte sich mit B enio, einem alten Straßenmusikanten, angefreundet, der den musikbegeisterten Jungen auf seiner Geige üben ließ.
    Für Sandro gab es nichts Schöneres, als mit B enito herumzuziehen. Als er nun eine eigene Geige besaß, übte er so fleißig, dass er bald mit Benito zusammen auftreten konnte. Sandros einzige Sorge war, dass seine Mutter nichts davon erfuhr, weil sie ihm bestimmt den Umgang mit Benito verboten hätte, obwohl sie selbst untergeordnete Arbeiten ausführen musste.
    Aber Joan Galini hatte trotz aller Armut noch i hren Stolz behalten. Ihre Großmutter war eine geborene Harleigh gewesen. Zwar war das berühmte schottische Geschlecht der Harleighs längst verarmt, einschließlich des jetzigen Besitzers des alten Stammschlosses, aber in ihrem entsagungsvollen Leben hielt sie nur der Gedanke aufrecht: eine Angehörige des einst so stolzen Geschlechtes zu sein.
    Als Joan ihren Mann kennerlernte, war sie eine schlechtbezahlte Gesellschafterin bei einer ewig nörgelnden Dame in Edinburgh gewesen. Joan war nicht besonders hübsch. Wirklich schön an ihr war nur das rotblonde, glänzende Haar. Da sie bereits siebenundzwanzig Jahre zählte und noch dazu arm war, fürchtete sie, bei der zänkischen Frau ihr L eben verbringen zu müssen.
    Es schien ihr daher wie ein Wunder, dass ein so gut aussehender Mann wie Mario um sie warb. Es störte sie zwar anfangs, dass er nur ein Kellner war, aber er verstand es, sie das vergessen zu machen. Wenn er sie küsste, ihr schönes Haar bewunderte und es mit seinen zärtlichen Händen durchwühlte, schmolz sie dahin. Er schwärmte ihr vor, dass er bald ein Hotel besitzen würde und schilderte es ihr in den glühendsten Farben. Und er malte ihr aus, dass er sie bald in Samt und Seide hüllen würde, und kein Schmuck wäre ihm dann für sie zu kos tbar. Sie ließ sich von seinen Zukunftsträumen anstecken, und da sie es bei ihrer Herrin nicht mehr aushielt, nahm sie seinen Antrag an.
    Erst nach der Hochzeit entdeckte sie, dass er zu dem ihr versprochenen Hotel noch keinen Penny gespart hatte.
    Als Sandro sechs Jahre alt war, wurde Mario schwer krank. Seine Lunge vertrug das raue schottische Klima nicht. Ihre wenigen Ersparnisse und der Verkauf ihrer Habseligkeiten reichten gerade aus, dass Mario mit Frau und Kind in sein Heimatland Italien zurückkehren konnte.
    Joan kam gerade an dem Schaufenster eines Antiquitätengeschäftes vorbei. In einem alten reichverzierten Spiegel erblickte sie ihr verhärmtes Gesicht, umrahmt von rotblonden Haaren, die längst ihren Glanz verloren hatten, und eine hagere Gestalt, gehüllt in ein ärmliches, fadenscheiniges Gewand. In Samt und Seide wollte mich Mario kleiden, dachte sie verbittert.
    Sie beschleunigte ihre Schritte. Der Weg von Signora Peon, wo sie heute ausgeholfen hatte, bis zur Cafeteria war weit, und es dunkelte schon. Wieder machte sie sich Vorwürfe, es zugelassen zu haben, dass Sandro den Gästen vorspielte. Aber was blieb ihr anderes übrig? Sandro bekam dort gutes Essen und die paar Lire, die er von den Gästen erhielt, konnten sie auch gut gebrauchen.
    Ihr selbst war es gar nicht aufgefallen, wie m usikbegabt ihr Sohn war, obwohl sie ihn oft zu Hause spielen hörte. Sie war nur überrascht gewesen, dass er es überhaupt konnte. Mario hatte bemerkt, wie gut der kleine Bursche den Geigenbogen führte, und schon begann er wieder, sich in Träume einzuspinnen.
    „Du wirst sehen“, hatte er zu ihr gesagt, „Sandro wird der berühmteste Geiger Italiens und dann wird es uns allen gut gehen.“ Und er schwelgte erneut in
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