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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie immer wieder.
    Mit Kapitän Tojo Namamura war alles geklärt.
    Forster hatte sich mit ihm in einem Lokal getroffen, das vornehmlich von ausländischen Seeoffizieren besucht wurde und in dem man ziemlich frei sprechen konnte, obwohl auch hier eine gewisse Beobachtung nicht auszuschließen war.
    »Ich habe einen Ausweis für Sie mitgebracht«, sagte Namamura und schob Forster ein Stück Papier mit vielen amtlichen Stempeln über den Tisch. »Seit gestern haben alle Hafenarbeiter diese Kennkarte. Mein lieber Mann, Sie haben ja für einen ausgesprochenen Wirbelwind gesorgt!«
    Man sprach englisch miteinander, trank amerikanischen Bourbon und tat so, als sei man seit Jahren befreundet. »Karsanow wird das nie vergessen!«
    Forster blickte auf die Hafenanlagen hinaus. Überall patrouillierte Miliz.
    Soviel Aufwand für einen einzigen Mann und ein schmales, halb verhungertes Mädchen! Karsanow schien auf einem Vulkan zu sitzen und Feuer zu speien …
    »Klappt es mit der Kiste, Kapitän?«
    »Im Schuppen römisch acht. Die Kiste hat die Nummer eintausendsiebenhunderteins. Können Sie das behalten?«
    »In diesem Fall könnten Sie mir eine Nummer nennen, die ich aus einer Quadratwurzel errechnen müßte, – ich würde sie behalten! Eintausendsiebenhunderteins!«
    »Auf den Seiten steht: ›Maschinenteile für Yokohama‹. Neben der Kiste finden Sie eine Karre. Sie müssen die Kiste mit der Karre an Bord bringen … Maschinenteile kann ein Mann allein nicht tragen.«
    Forster nickte.
    »Wie kann ich Ihnen das jemals danken, Kapitän?«
    »Überhaupt nicht.« Namamura blickte Forster sehr ernst an. »Wenn Sie auffallen, komme ich hier ins Gefängnis und mein Patent verliere ich auch! Und warum ich das für Sie tue? Ihrer Milda wegen …«
    »Aber Sie kennen Milda doch gar nicht, Kapitän?«
    »Ich habe eine Tochter, die auch zweiundzwanzig ist.« Namamura erhob sich abrupt. »Wenn sie jemals in eine Notlage kommt, so wünsche ich mir auch einen Menschen, der ihr dann hilft. Bis morgen, Sir. Um sechs Uhr früh laden wir die letzten Kisten ein …«
    »Bis morgen, Kapitän.«
    Sie gingen zusammen hinaus und trennten sich vor dem Lokal.
    Morgen, um sechs Uhr früh!
    Forster wischte sich über sein stoppelbärtiges Gesicht. Sein alter Matrosenanzug stank nach Öl und Schweiß. Morgen, Mildenka!
    Morgen kann ich behaupten, der glücklichste Mensch auf der Welt zu sein …
    Dronow war nicht in der Wohnung, als Forster, übermütig vor Freude, vom Hafen zurückkam. Er hatte eine Flasche Krimsekt gekauft, einen Topf mit mild gesalzenem Kaviar, ein frisches, duftendes Weißbrot und ein Stück kalten Bratens.
    »Wir werden feiern!« rief Forster schon in der Tür und trat sie hinter sich zu, weil er beide Arme voll Tüten hatte.
    »Saweli Jefimowitsch! Mildaschka! Wir haben ein Fest verdient!«
    Aber Dronow war nicht da – das war seltsam. Auch Milda Tichonowna fehlte, was bisher noch nie vorgekommen war.
    Sie werden spazierengegangen sein, dachte Forster.
    Ein Tag wie Samt, wenn es nicht so kalt wäre. Ein Himmel – so unendlich wie mein Glück! Es paßt alles zusammen …
    Warum soll sie den guten alten Dronow nicht ein wenig an die Luft führen … niemand wird sie mehr in Wladiwostok erkennen. Die Zeitung mit den Bildern hängt längst, wie bei Dronow, an eisernen Haken auf den Aborten oder man dreht sich Zigaretten daraus.
    Forster deckte den Tisch, suchte Gläser zusammen, stellte den Kaviar außen auf die Fensterbank – der beste Eisschrank in dieser Jahreszeit – und wickelte einen Blumenstrauß aus. Der war eine ausgesprochene Kostbarkeit, von Japan importiert und im staatlichen Intouristladen angeboten, denn nur Ausländer konnten sich diesen Luxus leisten.
    Dann ging er in das Schlafzimmer, um sich umzuziehen.
    Das Bett war zugedeckt und mit einer Art Spitzendecke verziert.
    Am Fußende standen Forsters Koffer, gepackt und ausgerichtet wie Soldaten. Die Schranktüren waren geschlossen – und Forster wußte in dieser Sekunde, daß die Schrankfächer leer waren.
    Auf der Spitzendecke lag ein zusammengefaltetes Blatt Papier. Graues billiges Papier. Wann schrieb denn Dronow jemals einen Brief?
    Forster setzte sich auf den Stuhl neben dem schmalen Tisch und starrte auf das Bett.
    »Das ist nicht wahr«, sagte er leise zu sich selbst. »Milda, das kannst du doch nicht tun … das kannst du unmöglich tun … Morgen früh um sechs Uhr … mit der Kiste eintausendsiebenhunderteins … Milda, das kannst du nicht tun
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