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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz
Autoren: Veit Heinichen
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Jahren war längst überwunden. Proteo hatte seiner Frau umgehend den widerlichen Versicherungsmakler, mit dem sie geflirtet hatte, verziehen. Ein Ausrutscher. Damals begann aber auch seine Affäre mit der kroatischen Staatsanwältin. Doch es war von Anfang an klar gewesen, daß es eine Affäre bleiben sollte. Živa selbst hatte darauf bestanden. Und heute hatte sie genau aus diesem Grund mit ihm Schluß gemacht. Laurenti hieb vor Ärger mit der Faust auf das Lenkrad von Lauras neuem Fiat.
    Diesmal war an dem kleinen Übergang der Schlagbaum auf der italienischen Seite zu. Er wartete und hupte verärgert, als sich kein Grenzbeamter blicken ließ. »Die sind überall gleich«, fluchte er vor sich hin. »Egal an welcher Grenze der Welt. Überall terrorisieren sie die Reisenden mit ihrer Unfreundlichkeit. Und wehe, man macht das Maul auf. Scheißzöllner.« Er hupte länger. In seinem Dienstwagen hätte er die Sirene aufheulen lassen, dann wäre rasch Bewegung in die Sache gekommen. Aber hier passierte gar nichts. Er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis die Herren ihren Mittagsschlaf beendet hatten. Vielleicht wollten sie geweckt werden! Diesmal ließ er die Hand lange auf der Hupe. Endlich öffnete sich die Tür des kleinen Gebäudes zu seiner Rechten, und zwei Uniformierte traten heraus. Der eine hielt eine Maschinenpistole im Anschlag und baute sich vor dem rechten Kotflügel auf, während der andere Beamte langsam um den Wagen herumging, einen kleinen Moment am Heck verharrte und dann zu Laurenti kam, der mit geöffnetem Seitenfenster wartete.
    »Ihren Ausweis«, sagte der Grenzpolizist.
    »Ihren Ausweis, bitte«, äffte ihn Laurenti nach und reichte ihm das Dokument. »Es wurde auch langsam Zeit. Der kalte Krieg ist vorbei.«
    Ohne Mimik studierte der Mann Laurentis Identitätskarte, als gäbe es da eine spannende Lebensgeschichte zu lesen. Das Dokument war gültig, das Foto so eindeutig, daß es selbst einen Analphabeten überzeugen mußte. Doch dieser Kerl mit Leseschwäche brauchte eine Ewigkeit, um die Angaben seiner Personalien auf dreizehn Zeilen, seine Unterschrift und den Stempel samt Ausstellungsdatum zu dechiffrieren.
    »Was?« fragte er schließlich, ohne das Dokument aus der Hand zu geben.
    »Was was?« fragte Laurenti genervt zurück.
    »Was langsam Zeit wurde?«
    »Sie lassen Ihre Kundschaft verdammt lange warten. Vor zwei Stunden war niemand von euch zu sehen, und jetzt ist der Schlagbaum zu, aber es kommt niemand, wenn man ihn braucht. Finden Sie das in Ordnung?«
    »Öffnen Sie den Kofferraum.«
    »Man sagt: Bitte. Ein bißchen Höflichkeit schadet nie. Und außerdem gibt es keine Beschränkungen des Warenverkehrs mehr, seit Slowenien in der Europäischen Union ist.«
    »Öffnen Sie.« Der Beamte beharrte mit steinernem Gesichtsausdruck auf seiner Forderung.
    »Das geht hier zu wie am Eisernen Vorhang, mein Herr.« Laurenti drückte den Knopf am Armaturenbrett und machte keine Anstalten auszusteigen. »Schauen Sie selbst. Aber vergessen Sie nicht, daß ich nicht die geringste Lust habe, den ganzen Nachmittag in Ihrer gesprächigen Gesellschaft zu verbringen.«
    »Sie sollten auf Ihre Worte achten, Signore.« Der Grenzpolizist, der sein Sohn hätte sein können, schaute ihn trotzig an. »Das Gesetz sagt, daß wir im Verdachtsfall nachschauen müssen.«
    »Und welchen Verdacht haben Sie, Herr Innenminister?«
    Ein Wagen fuhr heran, der andere Mann öffnete den Schlagbaum und winkte ihn durch. Dann kam er langsam herüber, hielt aber wie bisher zwei Meter Distanz, die Maschinenpistole stur im Anschlag. Offensichtlich wollte er dem Gespräch als Zeuge folgen.
    »Und den lassen Sie einfach durchfahren? Sagen Sie dem Pistolero wenigstens, er soll seine Waffe einstecken.« Laurenti zeigte auf ihn. »Ich tu euch schon nichts.«
    »Das Gesetz regelt auch die Punkte Beamtenbeleidigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt.«
    »Ich weiß«, sagte Laurenti. »Und es regelt auch den Umgang der Beamten mit Zivilpersonen. Sie haben inzwischen mehrfach dagegen verstoßen.«
    Der Mann zuckte nicht einmal mit der Wimper, sondern ging langsam zum Heck des Wagens und öffnete die Kofferraumklappe. Er warf einen kurzen Blick hinein, Laurenti hörte, wie er die Matte über dem Reserverad anhob und anschließend die Heckklappe wieder schloß. Laurenti war froh, daß Laura noch nichts in ihrem neuen Wagen deponiert hatte. Als sie ihn vor ein paar Tagen beim Händler abgeholt hatten, waren sie lange damit
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