Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
beschäftigt gewesen, den ganzen Kram aus dem alten Auto hinüberzupacken, und hatten sogar einen kleinen Streit, als Laurenti fragte, ob sie einen Zweitwohnsitz im Kofferraum eingerichtet habe. Aber ganz offensichtlich hielt sie den neuen Punto in Ehren und hatte den Krempel zu Hause wieder ausgeladen.
    Jetzt kamen zwei Wagen aus der Gegenrichtung und wurden wieder ohne Kontrolle durchgewinkt.
    »Steigen Sie aus«, sagte der Grenzer.
    »Das geht jetzt schon eine Viertelstunde so, plus die zehn Minuten, die ich auf euch warten mußte. Beamtenwillkür.«
    »Steigen Sie aus, habe ich gesagt.«
    »Was suchen Sie eigentlich?«
    Keine Antwort. Widerwillig folgte er der Anordnung.
    »Was machen Sie übrigens, wenn die Grenze endgültig fällt? Gastronomie? Betriebsberater für Serviceverbesserung?« fragte Laurenti.
    Der Grenzpolizist beugte sich in den Wagen und schaute unter die Sitze, dann ins Handschuhfach, und schließlich zog er den Hebel für die Motorhaube.
    »Es ist doch eindeutig, daß Sie mich schikanieren wollen.« Laurenti war nun endgültig bedient. »Zeigen Sie mir Ihren Dienstausweis.«
    Keine Reaktion.
    »Name und Dienstgrad, Dienstnummer.«
    Der Kerl beachtete ihn einfach nicht. Laurenti nahm sich vor, seinen Kollegen von der Grenzpolizei nach den Ausbildungsrichtlinien zu fragen. Darin mußte ganz sicher eine Anweisung zu finden sein, die den Beamten jegliche Freundlichkeit untersagte. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er je einen von ihnen lächeln gesehen oder ein freundliches Wort von ihnen gehört. Danke und Bitte waren gewiß strikt verboten, und die typische Geste war ein Zeichen mit dem Kinn, mit dem die Weiterfahrt befohlen wurde. Internationaler Standard.
    »Fahrzeugpapiere«, sagte der Beamte und schnippte mit dem Finger.
    »Es heißt: Bitte. Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt.« Laurenti wußte nicht, wo Laura die Papiere hatte. Er schaute hinter der Sonnenblende nach und dann im Handschuhfach. Nichts.
    »Das ist der Wagen meiner Frau«, sagte er. »Ich weiß nicht, wo sie sind.« Er griff zu seinem Mobiltelefon und wollte ihre Nummer wählen.
    »Wie heißt ihre Frau?«
    Er nannte ihren Namen.
    »Anschrift?«
    »Bitte!«
    »Anschrift?«
    »Schauen Sie in meinen Personalausweis, verdammt noch mal. Ich habe doch gesagt, daß sie meine Frau ist.«
    Der Beamte schlenderte nach vorne und öffnete die Motorhaube. Es schien, als studierte er jede einzelne Schraube. Schließlich notierte er die Fahrgestellnummer und verschwand gemächlich in dem kleinen Grenzgebäude. Offensichtlich wollte er ihm wirklich das Leben schwermachen und würde jetzt in aller Gemütsruhe und mit zwei Fingern die Daten in den Computer eingeben.
    Diesmal passierten fünf Autos, ohne daß der andere Grenzer auch nur einen Blick auf die Insassen warf.
    Laurenti ließ sich wieder auf den Fahrersitz fallen und rief schließlich Laura an. Natürlich hatte sie die Wagenpapiere in ihrer Handtasche. Laurenti schnaubte wütend. Warum konnte sie sie nicht, wie jeder normale Mensch, im Auto deponieren? Jetzt hatte dieser Kleinkrämer von Grenzpolizist wirklich seinen Triumph. Und dann fragte Laura, wann er zurückkäme. Sie wartete im Büro ihres Versteigerungshauses auf ihn und brauchte den Wagen, um nach Hause zu fahren. Sie wollte sich noch umziehen, bevor sie zum Abendessen gingen. Laurenti erinnerte sich nicht, daß sie etwas vorhatten, aber jetzt wollte er sie nicht danach fragen. Er verabschiedete sich und wählte hastig die Nummer seines Büros. Marietta antwortete erst nach dem achten Klingeln. Hektisch gab er ihr die Anweisung, sofort am kleinen Grenzübergang von Prebenico anzurufen und zu intervenieren.
    »Was machst du eigentlich auf der anderen Seite der Grenze?« fragte seine Assistentin. Ihre Stimme klang schnippisch.
    Es war zum Heulen. Er hätte es wissen müssen. Um den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, hatte er ihn in eine andere gesteckt. Daß Marietta sich diese Chance nicht entgehen lassen würde, war klar. Wenn nicht heute, dann würde sie in den nächsten Tagen nachbohren. Obgleich sie trotz aller Bemühungen nie nachweisen konnte, daß er ein Verhältnis mit Živa hatte, war sie sich dessen sicher und stellte ununterbrochen Fallen, die Laurenti sorgsam zu umgehen wußte. Aber damit war es jetzt ohnehin vorbei. Seit einer Stunde. Seit Živa ihm den Laufpaß gegeben hatte.
    Der Grenzpolizist kam wieder zurück. Zu allem anderen schien er auch Rekordhalter im Langsamgehen zu sein. Auf halbem Weg hielt er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher