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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz
Autoren: Veit Heinichen
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inne, das Telefon im Büro schrillte bis auf die Straße hinaus. Schließlich machte er kehrt, beschleunigte aber trotz des Klingelns nicht. Laurenti sah, wie die Tür hinter ihm ins Schloß fiel.
    Diesmal passierten sieben Fahrzeuge, ohne kontrolliert zu werden. Und dann geschah das Wunder vom Karst: Der Grenzer rannte beinah. Laurenti fürchtete, daß er mit den Absätzen eine Bremsspur auf den Asphalt legen würde, ehe er die Hacken zusammenschlug und salutierte.
    »Warum haben Sie es nicht gesagt, Commissario?« Artig reichte er ihm den Personalausweis. »Entschuldigen Sie. Ich wollte Ihnen keine Umstände machen.« Er warf seinem Kollegen einen verlegenen Blick zu, worauf dieser die Maschinenpistole umschnallte und den Schlagbaum öffnete.
    »Anordnung aus Rom. Es ist die Woche der Selbstkontrolle«, log Laurenti. »Wir überprüfen alle Beamten.«
    »Ich habe mich lediglich an die Vorschriften gehalten, Commissario.« Der Kerl stand stramm wie eine Straßenlaterne.
    »Kennen Sie den Vorteil des Schengener Abkommens?« fragte Laurenti, während der Mann ihn erwartungsvoll anschaute und den Kopf schüttelte. »Einer von uns beiden wird seinen Job wechseln müssen, wenn die Grenzkontrollen fallen.« Er startete den Motor und wollte die Tür schließen.
    »Entschuldigung, Commissario.«
    »Bitte«, sagte Laurenti.
    »Danke, Commissario.«
    »Es heißt: Bitte! Das sollten Sie sich umgehend angewöhnen, Agente.«
    »Danke, Commissario. Aber wenn Sie gestatten, dann würde ich gerne empfehlen, daß Sie gleich das Rücklicht reparieren lassen, Commissario.« Wieder salutierte der Mann.
    »Welches Rücklicht?«
    »Es ist kaputt. Schade um den neuen Wagen. Bitte.«
    Laurenti fuhr grußlos und mit quietschenden Reifen davon. Er war spät dran und mußte Laura das Auto zurückbringen. Ins Büro würde er an diesem Nachmittag nicht mehr gehen. Marietta hatte gesagt, daß nichts Besonderes vorlag. »Triest schläft am hellichten Tag«, meinte sie. »Es hat sich nichts verändert. Ich hoffe, daß wenigstens du dein Vergnügen hattest.«
    *
    Er spürte die Aufregung bereits vor der Questura, als er aus dem Wagen stieg. Mehr Uniformierte als gewöhnlich standen vor ihren Einsatzfahrzeugen oder fuhren gerade weg. Selbst die Möwen, die stets in der Nähe der Müllcontainer auf Beute lauerten und mit ihrem spöttischen Geschrei den dichten Verkehr übertönten, hatten sich in sicherer Entfernung auf den Stufen des Teatro Romano niedergelassen wie zahlende Gäste bei der Aufzeichnung einer Soap opera. Laurenti war schnell auf dem laufenden und eilte die drei Treppen hoch in sein Büro. Pina Cardareto, die ehrgeizigste Inspektorin in seiner Abteilung, hatte die Sache in die Hand genommen, war bereits vom Tatort zurück und telefonierte mit den Spezialisten vom Erkennungsdienst, als er hereinstürmte. Sie machte ein Zeichen, daß sie in sein Büro käme, sobald sie aufgelegt hätte. Die Kleine war eifrig, das gefiel Laurenti. Warum sollte eigentlich er sich immer mit allem herumschlagen, wo es doch Kollegen gab, die nach oben strebten? Ein bißchen erinnerte sie in ihrem Engagement an seine Anfänge, als er, nach weiß der Teufel wie vielen Versetzungen, in Triest gelandet war und sich in seinem ersten großen Fall gleich eine blutige Nase geholt hatte. Aber das war lange her.
    Wie jeden Morgen brachte Marietta ihm mit einer Tasse Espresso gleich die Liste der zu erledigenden Dinge sowie den Bericht des Streifendienstes von der letzten Nachtschicht. Der Bombenanschlag dominierte alle Aufzeichnungen, doch über ihn würde er sich von Pina aus erster Hand berichten lassen. Laurenti überflog die restlichen Meldungen, aber abgesehen von drei Anrufen wegen Lärmbelästigung vor der »Malabar« auf der Piazza San Giovanni, die ihm gleich ins Auge fielen, war nichts Erwähnenswertes verzeichnet. Warum litten die Spießer eigentlich immer und überall an Schlaflosigkeit? Die Konjunktur war im Keller, das Wirtschaftswachstum stagnierte, die Arbeitslosigkeit stieg – doch daß in Triest jemand vor Sorgen keinen Schlaf fand, hielt Laurenti für unmöglich. Die Stadt war wohlgenährt und erst vor kurzem von der wichtigsten Finanzzeitung auf Platz eins in Sachen Lebensqualität gewählt worden. Worüber regten sich die Leute also auf?
    Am vergangenen Abend war er mit seiner Frau auf der Piazza San Giovanni gewesen, wo unter dem Motto »Haute Cuisine auf der Piazza« bewiesen werden sollte, daß auch gutes Essen einfach zuzubereiten war. Ihr
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