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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz
Autoren: Veit Heinichen
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Hausmeisters Damjan Babič aufgenommen, dessen Generalschlüssel am schweren Bund es ihr angetan hatte. Viel schneller als erhofft war sie fündig geworden. Der Mann gab sich keine große Mühe, sein Vorgehen zu verschleiern. Er hatte Zugang zu allen Räumen, und alle wußten dies. Glühbirnen wechseln, Schalter reparieren, Leitungen überprüfen – er war überall gern gesehen, und oft genug erhielt er ein Trinkgeld oder eine Tasse Kaffee. Aber dann hatte die Rote Alba ihn erwischt, als er in den Räumen des Instituts für Solartechnik, »ISOL«, die Pläne fotografierte, die an den Wänden hingen. Ein paar Tage später hatte ihn die Journalistin dabei fotografiert, wie er Akten aus einem Schrank nahm und ablichtete. Doch was ließ sich eigentlich in einem solchen Unternehmen stehlen? Weder Raumfahrt- noch Rüstungstechnik und schon gar kein radioaktives Material, das zum Bau einer schmutzigen Bombe getaugt hätte, wovon einige ihrer politischen Freunde munkelten. Alba Guerra hatte keine andere Wahl, als an Babičs Spuren zu kleben und darauf zu hoffen, daß er irgendwann weitere Hinweise lieferte. Heute abend war es endlich soweit. Aus der Dunkelheit heraus konnte sie ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen Fotos von dem Treffen mit der schwarzen Dame machen und das Gespräch in großen Teilen mit dem Richtmikrofon aufzeichnen. Und endlich hatte sie die Gewißheit, daß Babič krumme Sachen drehte, und er hatte ihr seine Auftraggeberin auch noch auf dem Tablett serviert. Die Angehörige eines osteuropäischen Konsulats! Das war ein gefundenes Fressen. Doch Industriespionage in Sachen alternativer Energiegewinnung? Das hatte es bisher noch nicht gegeben, und sie konnte sich leicht eine blutige Nase holen und sich der Lächerlichkeit aussetzen, wenn sie keine handfesten Beweise lieferte. Alba Guerra mußte unbedingt dieser schwarzhaarigen Frau folgen.

Bombenstimmung

    »In Triest verschläft die Polizei sogar einen Bombenanschlag.« Die Spötter hatten leider recht, und es blieb nichts anderes übrig, als ihre Kommentare so souverän wie möglich zu übergehen und statt dessen von Spuren und Ermittlungen zu sprechen, selbst wenn man einiges hinzudichten mußte. Auch Proteo Laurenti hatte den Knall gehört, eineinhalb Stunden nach Mitternacht.
    Sein Mobiltelefon klingelte, kaum daß er am Morgen unausgeschlafen in seinen Wagen gestiegen war. »Also, was ist passiert?« Laurenti brauchte einen Moment, bis er die Stimme erkannte. Die alte Freundin, Triestinerin und Journalistin bei der RAI in Rom, von der er schon lange nichts mehr gehört hatte, kam stets ohne lange Vorrede zur Sache.
    Seit er sie kannte, erschreckte sie ihn mit ihren direkten, bohrenden Fragen. Vermutlich war sie deshalb so erfolgreich in ihrem Beruf, weil sie anderen keine Möglichkeit ließ, sich elegant um eine konkrete Antwort zu drücken.
    »Wovon redest du?« stammelte Laurenti, auf einmal schlagwach. »Eine Bombe? Wo? Quatsch, bei uns doch nicht. Da hat dich jemand auf den Arm genommen.«
    »Proteo, verarsch mich bitte nicht. Sag einfach in aller Klarheit, daß ihr eine Informationssperre verhängt habt. Die Sache gibt schließlich zu denken.«
    »Wer? Was?«
    »Komm schon, Laurenti. Raus mit der Sprache: Bei uns lag es schon vor einer Stunde auf dem Ticker, und wenn es wahr ist, was da steht, dann muß bei euch kein Bombenleger Angst haben, weil die Polizei den Anschlag ohnehin erst fünf Stunden später bemerkt. Ihr seid wirklich von der ganz besonders schnellen Truppe.« Sie las ihm die Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur vor, die keine zehn Zeilen lang war.
    »Blödsinn, deine Kollegen übertreiben wieder einmal. Wenn da was Ernstes dran wäre, dann hätten sie mich noch in der Nacht aus den Federn geholt. Ich bin auf dem Weg ins Büro. Sobald ich etwas weiß, rufe ich dich zurück.« Er mochte diese Journalistin wirklich gern, doch warum mußte sie ihn mit solch einem Kram aufschrecken, noch bevor er an seinem Schreibtisch saß?
    *
    Bedrückt und verärgert war er am vorigen Nachmittag von Hrastovlje nach Triest zurückgefahren. Weshalb hatte Živa ihn so schnöde abblitzen lassen? Gute Freunde! Er war doch keine sechzehn mehr. Und schließlich hatte sie immer darauf bestanden, keine engere Bindung eingehen zu wollen. So lautete ihre Abmachung, denn seine Frau hätte Laurenti nie verlassen. Er liebte Laura, und die Affäre mit Živa hatte absolut nichts mit seiner Ehe zu tun. Er war glücklich verheiratet, die kleine Krise vor ein paar
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