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0193 - Der Mitternachts-Vampir

0193 - Der Mitternachts-Vampir

Titel: 0193 - Der Mitternachts-Vampir
Autoren: Jason Dark
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»…so wurde die alte Hexe verbrannt, und Hänsel und Gretel konnten in Ruhe und Frieden leben.« Mit diesen Worten beendete die Frau das Märchen und klappte das Buch zu.
    Der kleine Helmut lächelte. Er lag in seinem Kinderbett und hatte leuchtende Augen bekommen. Das winzige goldene Kreuz auf seiner Brust schimmerte im Licht der Nachttischlampe.
    »Liest du mir noch ein Märchen vor, Mami?«
    Gabi Leber lachte. »Nein, mein kleiner Schatz. Es ist schon acht Uhr am Abend, du mußt jetzt schlafen. Draußen ist es dunkel. Die Sonne schläft auch, und die Sterne stehen am Himmel. Morgen möchtest du doch wieder spielen - oder?«
    »Ja, aber…«
    »Kein aber, mein Schatz«, sagte die junge Mutter und strich die Bettdecke ihres Sohnes glatt. Der Überzug und das Laken zeigten lustige Motive aus der Welt eines Walt Disney.
    Helmut verzog das Gesicht. »Ich bin aber noch nicht müde, Mami.«
    »Das kommt schon noch.«
    »Wirklich nicht. Ich…« Im gleichen Augenblick fing er an zu gähnen.
    Gabi Leber lachte. »Siehst du, wie müde du bist, Helmut? Du schläfst ja gleich ein.«
    »Das war ja nicht echt.«
    »Du kleiner Schlingel, dir fällt auch immer eine Ausrede ein.« Gabi drückte ihren Sohn. Dann gab sie ihm einen Gute-Nacht-Kuß. »Jetzt mußt du aber wirklich schlafen.«
    Der Kleine verdrehte die Augen und schaute auf die Decke. Dort hingen seine Flugzeuge. Die Fäden waren sehr dünn und kaum zu sehen. Es schien, als würden die vom Vater gebastelten Werke tatsächlich in der Luft schweben.
    »Müssen wir noch beten?« fragte Helmut.
    »Natürlich müssen wir das. Das machen wir doch jeden Abend.«
    Helmut nickte und faltete die Hände. Er sprach ein kurzes Nachtgebet.
    Die Worte kannte er auswendig, und seine Mutter betete mit.
    Anschließend deckte sie ihren Sohn bis zum Hals zu, hauchte ihm einen Kuß auf die Stirn und verließ das Zimmer, nachdem der Kleine seine Augen geschlossen hatte.
    Leise zog Gabi Leber die Tür ins Schloß. Sie hatte das gleiche blonde Haar wie ihr Sohn. Mit einer müde wirkenden Bewegung warf sie die lange Flut zurück. Hinter ihr lag ein langer Tag. Morgens die Last in der Schule - sie arbeitete als Lehrerin - und dann noch der Kleine. Zum Glück versah sie den Job nur aushilfsweise. Zweimal in der Woche. Sich noch stärker im Beruf zu engagieren, hätte sie wirklich nicht geschafft.
    Obwohl sie selbst noch jung war - erst siebenundzwanzig - konnte der Kleine sie so auf Trab halten, daß sie sich abends hundemüde fühlte.
    Und ausgerechnet heute mußte sie noch Hefte nachschauen. Die Kinder ihrer Klasse hatten eine Rechenarbeit geschrieben, die sie am anderen Tag zurückgeben wollte.
    Dirk, ihr Mann, war nicht da. Er saß im Gasthaus an der Ecke, wo er einmal in der Woche seinen Stammtisch hatte. Dort trafen sich die politischen Großen des Dorfes.
    Mit müden Schritten ging die junge Frau die Treppe hinunter in den Wohnraum des Einfamilienreihenhauses. Seit zwei Jahren wohnten sie hier und fühlten sich wohl.
    Die Hefte lagen auf dem Schreibtisch. Ein ganzer Stapel. Gabi schüttelte sich, als sie an die Arbeit dachte, doch es ging kein Weg daran vorbei. Sie drückte auf den Knopf des kleinen Radios, schaltete die Lampe ein und nahm Platz.
    Oben lag Helmut noch wach.
    Er hatte seine Mutter getäuscht und schaute mit offenen Augen gegen die Decke, die sich als grauer Schimmer abhob. Vor dem Fenster hingen keine Gardinen, es gab zwar ein Rollo, aber das hatte Gabi nicht nach unten gezogen. Im November waren die Nächte lang, es wurde erst um kurz vor acht morgens richtig hell.
    Eine Gardine bedeckte die Scheibe ebenfalls nicht. Dafür klebten an ihr einige Bilder. Stickers, die Helmut aus Wundertüten und Kaugummipackungen gesammelt hatte.
    Der Kleine drehte sich auf die Seite und schaute in Richtung Fenster.
    In dieser Nacht schimmerte der Umriß besonders hell, weil draußen ein voller Mond am Himmel stand. Er war eingerahmt von zahlreichen Sternen. Helmut hatte sie gesehen, als er kurz, vor dem Zubettgehen noch einmal nach draußen schaute.
    Das Märchen spukte ihm noch im Kopf herum. Er dachte an die Hexe, die den Hänsel hatte backen wollen.
    Er bekam Angst.
    »Mutti!« rief er. »Muttiiii..!«
    Gabi Leber hörte die Rufe ihres Sohnes. Sie ließ die Arbeit liegen und eilte die Treppe hoch. Im kleinen Vorflur machte sie Licht. Das ließ sie auch brennen, so daß der Schein in das Kinderzimmer fallen konnte.
    »Helmut, du sollst doch schlafen«, sagte sie vorwurfsvoll. »Bitte,
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