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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz
Autoren: Veit Heinichen
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frühmorgens, am Feierabend und an den dienstfreien Wochenenden Zeit. Die Tiere waren zu versorgen, dazu der Gemüsegarten und ein dreiviertel Hektar Rebstöcke, der durchschnittlich neun Hektoliter Wein ergab.
    Als die Konsulin sie vor knapp einem Jahr anwarb, tat sich endlich eine vernünftige Perspektive auf. Denn was die Dame namens Petra Piskera von ihnen erwartete, schien eine gutbezahlte Kleinigkeit. Problemlos konnte Damjan bei seinen abendlichen Rundgängen durch das Institut nach ihrer Vorgabe mit einer Digitalkamera an genau bezeichneten Stellen ein paar Fotos von Dokumenten und Plänen schießen und dann die Kamera in den Büroräumen der CreaTec Enterprises zurückzulassen, um eine andere mit leerem Speicher an sich zu nehmen. Sechstausend Euro im Vierteljahr waren bisher ein schönes Taschengeld gewesen, mit dem sie sich einiges mehr erlauben konnten. Sie sprachen sogar von einer langen Urlaubsreise, doch die kleine Landwirtschaft verlangte ihre ständige Präsenz. Hühner und Schweine erwarten auch an Feiertagen pünktliche Fütterung.
    Seit ein paar Tagen hatte Damjan allerdings das Gefühl, beobachtet zu werden, und sich nach einigem Zögern entschlossen, seiner Frau von diesem Verdacht zu erzählen. Es gab keine konkreten Anhaltspunkte, aber irgend etwas hatte sich verändert. Er wußte nicht, ob es mit den Artikeln in der reaktionären Presse zusammenhing, die von einer permanenten Gefahr sprach, die angeblich von allen Forschungszentren in der Stadt ausging, vor allem vom »ICTP« und dem »Abdus Salam« beim Park von Miramare, den Instituten für theoretische Physik, wo viele Forscher aus der dritten Welt ausgebildet wurden. Einmal stand in einem der Blätter, daß die islamische Atombombe in Triest geplant würde. Schwachsinn, das wußte sogar Damjan. Die Institute hatten bisher mehrere Nobelpreisträger hervorgebracht, und der Neid gegen jede Form von Erfolg war überall gleich. Als Jožica beunruhigt von ihm verlangte, sich an jedes Detail der letzten Tage zu erinnern, stammelte er etwas von einer rothaarigen jungen Frau, trotz des Sommers mit einer schweren Lederjacke bekleidet, die er mehrfach auf dem Gelände gesehen hatte, ohne daß er sie aus einer der Firmen kannte. Sie war ihm aufgefallen, weil sie stets eine Kamera um den Hals und eine schwere Tasche mit technischem Gerät in der Hand trug. Vielleicht sah er Gespenster, doch eine innere Stimme riet ihm, auf diesen Nebenverdienst zu verzichten.
    Jožica hatte Petra Piskera unter der ausländischen Telefonnummer angerufen, die sie ihnen als Kontakt gegeben hatte, und um das Treffen gebeten. Im gleichen Gespräch hatte er konkrete Anweisungen für die nächsten zwei Tage erhalten. Mit solchem Nachdruck hatte die Dame bisher nie auf die Erledigung einer Aufgabe bestanden. Jožica und Damjan hatten lange über das Telefonat gesprochen und sich schließlich darauf geeinigt, mit List das Blatt zu ihren Gunsten zu wenden. Und Jožica sollte die Verhandlungen führen.
    »Unsere Arbeit ist schwieriger geworden. Wir wollen mehr Geld, Frau Konsulin«, sagte sie entschieden.
    »Was hat sich verändert? Für die paar Fotos seid ihr schon verdammt gut bezahlt.« Die Schwarzhaarige steckte sich hastig eine Zigarette an.
    »Wir haben in der Zeitung gelesen, daß die Sicherheitsmaßnahmen erhöht werden sollen. Terrorismusvorbeugung, sagt man. Verschärfte Ein- und Ausgangskontrollen auch für das Personal.«
    »Das betrifft euch doch nicht. Ihr nehmt doch nichts mit. Ihr macht lediglich die Fotos, Herr Babič stellt bei seinem letzten Durchgang den Apparat auf die Ladestation in den Räumen der CreaTec Enterprises und nimmt dafür die andere Kamera mit dem leeren Speicher an sich. Kein Kontrolleur kann etwas finden. Also, was soll das?« Grob drückte sie die nicht einmal halb gerauchte Zigarette in den Aschenbecher und kümmerte sich nicht darum, daß sie weiterqualmte.
    »Wir brauchen mehr Geld«, beharrte Jožica. »Nur eine einmalige Prämie von fünfzigtausend Euro, dann geht alles weiter wie bisher. Für Sie ist das doch eine Kleinigkeit.«
    Ihre Auftraggeberin verzog keine Miene. »Ihr habt gestern und heute kein Material geliefert. Warum?«
    »Ebendarum.« Damjan Babič war ein stattlicher Mann von einem Meter neunzig mit den Händen eines Nebenerwerbslandwirts, der sich nun zu voller Größe aufrichtete, um seinen Worten mehr Bedeutung zu geben. »Sie sollen sehen, daß es uns ernst ist.«
    Die Konsulin zeigte sich unbeeindruckt. »Sag deinem
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