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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz
Autoren: Veit Heinichen
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Mann, er soll sich setzen und die Klappe halten«, herrschte sie Jožica an, die sich nicht rührte.
    Damjan trat ganz dicht vor die schwarzhaarige Dame und hob seine mächtigen Hände. »Was ist schwierig daran, unser Anliegen zu verstehen? Alles hat seinen Preis. Und unseren haben wir gerade genannt. Also, Sie akzeptieren oder Sie lassen es sein. Auf jeden Fall machen wir so nicht weiter.«
    »Ihr bekommt dieses Mal das Doppelte. Aber nur dieses eine Mal. Verstanden.«
    Damjan setzte sich wieder.
    »Wir wissen längst, daß unsere Arbeit für Sie viel mehr wert ist, als Sie bezahlen, Frau Konsulin«, sagte Jožica. »Wir wollen nur das, was uns zusteht. Fünfzigtausend.«
    Bevor Petra Piskera antworten konnte, fügte Damjan hinzu: »Und wenn Ihnen das zuviel ist, dann suchen Sie sich jemand anderen, der für Sie herumspioniert. So nennt man das doch! Verkaufen Sie uns nicht für dumm.« Damjan stand auf und faßte seine Frau am Ellbogen. »Komm jetzt, Jožica. Ich glaube, sie hat verstanden.«
    »Warten Sie.« Sie hatten noch keine fünf Schritte gemacht, als die Konsulin sie mit eisiger Stimme aufhielt. »Liefern Sie die Fotos bis übermorgen, dann läßt sich etwas machen. Aber ich brauche sie übermorgen.«
    »Ab übermorgen haben wir Frühschicht«, sagte Damjan über die Schulter, ohne seine Geschäftspartnerin anzusehen. »Warten Sie um fünfzehn Uhr auf uns im zweiten Parkdeck des Einkaufszentrums ›Torri d’Europa‹. Und vergessen Sie nicht das Geld. Wir machen keine Scherze.«
    Sie ließen die Konsulin stehen und gingen zum Škoda hinüber. Damjan steckte sich eine Zigarette an und wartete mit dem Einsteigen, bis die Rücklichter des Wagens der schwarzen Dame nicht mehr zu sehen waren. Im Anfahren mußte er scharf abbremsen, um den Motorradfahrer vorbeizulassen, der es offensichtlich eilig hatte.
    *
    Alba Guerra war vierunddreißig Jahre alt und stammte aus Treviso. Drei Jahre hatte die Journalistin als Pressesprecherin des Cowboy-Bürgermeisters gearbeitet, der in der Stadt die Parkbänke abmontieren ließ, damit keine Penner mehr darauf übernachten konnten. Er hatte durch seine Äußerungen wiederholt für Aufsehen gesorgt, insbesondere als er die Meinung vertrat, daß man auf afrikanische Einwanderer wie auf Hasen schießen sollte, um sie zur Heimkehr zu bewegen. Als der Mann, der sich tatsächlich als Wildwest-Sheriff hatte ablichten lassen, mit Ende der zweiten Amtszeit nicht noch einmal antreten durfte, verabschiedete sich auch die »Rote Alba«, wie sie von ihren rechten Kameraden wegen ihrer Haarfarbe gerufen wurde, aus der Politik und ging zurück in den Journalismus. Sie arbeitete für eine überregionale Tageszeitung, die sich schon in der Vergangenheit auf die Forschungseinrichtungen in Triest eingeschossen hatte, sowie auf die vielen klugen Köpfe aus der dritten Welt, die dort tätig waren. Die Sprache ihrer Artikel war schneidend polemisch und politisch drastisch vorgestrig. Mehrfach hatte sie deshalb vor dem Richter gestanden, konnte aber stets, dank des Beistands einschlägig bekannter Rechtsanwälte, den Kopf aus der Schlinge ziehen. Für die Rechten war es Mode geworden, sich auf das demokratisch verbriefte Recht der Meinungsfreiheit zu berufen, wenn sie für ihre revanchistischen und hetzerischen Äußerungen am Pranger standen.
    Alba Guerra war von ihrem Mailänder Chefredakteur zum erstenmal anläßlich des EU-Beitritts Sloweniens nach Triest geschickt worden. Eine Handvoll Neofaschisten hatte mit einem Sitzstreik vor dem Konsulat des Nachbarlandes protestiert, worüber kaum jemand berichtete – außer ihr. Sie hatte schnell Gefallen an der Stadt am Meer gefunden. Und innerhalb der Splittergruppe der Unverbesserlichen war sie, dank ihrer scharfmacherischen Artikel gegen die Nachbarn jenseits der Grenze, bald beliebt. Eine geschlossene Gesellschaft, die sich die Realität nach Gutdünken zurechtbog und das Recht auf ihrer Seite glaubte, auch wenn sich kaum jemand um sie scherte. Rechtsextreme Gewalt gab es in der Vielvölkerstadt Triest seit Jahrzehnten nicht. Und die vereinzelten Schmierereien auf Hauswänden mußte man nicht ernst nehmen. Wen scherte diese Polemik heute noch, mit der sich keine politischen Mehrheiten mehr schaffen ließen? Und außerdem badeten Faschisten wie Kommunisten alle im gleichen warmen Wasser der Adria.
    Dank guter Kontakte hatte Alba eine Proforma-Anstellung und damit Einlaß in das Forschungszentrum gefunden. Rasch hatte sie die Fährte des
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