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Der Junge, der es regnen liess

Der Junge, der es regnen liess

Titel: Der Junge, der es regnen liess
Autoren: Brian Conaghan
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    Rosie Farrells erster Eindruck
    Wir lernten uns kennen, als Clem an unsere Schule kam. Er stammte irgendwo aus dem Süden von England, ich weiß nicht genau, woher. Ich hatte von dem Ort noch nie gehört. Das habe ich immer noch nicht, obwohl er mir viele Male davon erzählt hat. Es hört sich jedenfalls bescheuert an, wo immer es auch sein mag. Er hatte einen komischen Akzent, und gerade deshalb fuhr jeder irgendwie auf ihn ab. Einschließlich der meisten Typen, die out waren. Cora behauptete, er hätte was von Robbie Williams an sich … alle Typen wünschten sich, an seiner Stelle zu sein, und alle Mädchen wünschten sich … na, Sie wissen schon.
    Viel geredet hat er am Anfang nicht; er hat einfach seine Arbeit erledigt und dabei kaum den Kopf gehoben. Total langweilig.
    Clever war er, das ja. Superclever. Er hatte all dieses Zeug gelesen, das wir nicht mal aussprechen konnten, diesen ganzen ausländischen Kram. Ich war alles andere als ein Bücherwurm, also nahm ich an, ich würde überhaupt nicht in sein Beuteschema fallen. Nicht, dass ich damals gesteigerten Wert darauf gelegt hätte.
    Normalerweise finde ich diesen ganzen Kram todlangweilig. Lesen und so weiter. Aber für ihn war Englisch das Ding. Er saß in der ersten Reihe wie der perfekte Lehrerliebling. Ständig musste er ihnen Fragen stellen. Den Lehrern. Über all dieses tödlich öde Zeug führte er Debatten. Kompletter Quatsch.
    Langweiliger geht’s nicht mehr, oder? Ich glaube, Miss Croal flirtete vom ersten Tag an mit ihm. Sie war eine dieser Frisch-von-der-Uni-Lehrerinnen. Die sind ja alle gleich. Sie kommen hereingefegt, den Kopf voller Hollywoodstreifen, und sind fest entschlossen, »etwas zu verändern«. Hohlköpfe, die vom Tuten und Blasen keine Ahnung haben. Um die Wahrheit zu sagen, war es ziemlich peinlich, mitzuerleben, wie sie sich zum Trottel machte. Wie sie sich dem Glauben hingab, sie würde nur so vor Wissen strotzen. Vor Klowasser kommt eher hin. Ehrlich, Miss Croal war ungefähr so hell wie ein Blackout. Nein, ich verarsche Sie nicht. Das ist nicht mein Stil. Ich bin eine passive Beobachterin. Ja, ein paar Leute haben es gemacht. Aber das war kein Mobbing oder Einschüchterung oder so was in der Art. Okay, der Spruch ist nicht gerade astrein, aber wenn sie anfing, herumzuflirten und den ganzen Typen schmachtende Blicke zuzuwerfen, sagte meine Freundin Cora immer: Miss Croal lechzt danach, dass mal einer bei ihr einlocht. Einmal hat sie es ihr allen Ernstes ins Gesicht gesagt, allerdings ein bisschen umschrieben.
    Also, sie hat gesagt: Na Miss, lechzen Sie nach Ihrem Tiger Woods? Die Croal hat im Leben nicht kapiert, was das heißen sollte. Sie stammte vermutlich aus irgendeinem Schickimicki-Viertel der Stadt. Aus dem West End oder so.
    Das war Coras Art, echt hemmungslos, direkt ins Gesicht. Aber ein Knaller war sie trotzdem.
    Ja, er war anders als die anderen Typen und das nicht nur, weil er clever war oder gut aussah. Okay, im üblichen Sinne sah er eigentlich gar nicht gut aus, aber er hätte definitiv als eins dieser Benetton- Models durchgehen können. Sie wissen schon, die, die so gerade an der Grenze zum Hässlichen stehen. Jedenfalls war das Coras Ansicht. Es gab jede Menge Mädchen, die fanden, er sei der totale Mr Mysteriös, aber für mich kam er eher wie Mr Merkwürdig rüber. Irgendwas stimmt nicht mit dem, sagte ich zu Cora – als ob er ein Geheimnis verbirgt oder so was. Manchmal erwischte ich ihn dabei, wie er mich anstarrte, nicht wie in der Freakshow oder so, sondern eher wie einer, der verzweifelt nach Freundschaft sucht.
    Ob ich beliebt war? Nun ja, als ich in der fünften Klasse war, wollten alle Fünft- und Sechstklässler mit mir gehen. Ich sagte ihnen, sie sollten Land gewinnen. Was bedeutet, dass sie sich verziehen sollten. Oder besser, ich ließ es Cora für mich sagen. Die reizten mich alle nicht die Bohne.
    Mit ein paar von ihnen habe ich rumgeknutscht, aber weiter war nichts. Das reicht nicht, von so was spielt einem doch nicht das Herz verrückt. Mit den Typen aus meiner Schule wäre ich so weit nicht gegangen. Nie im Leben.
    Also ja, man könnte wohl sagen, ich war beliebt, aber ich war keine Zicke oder so was in der Art … es war nicht wie bei O.C. California , es war das wirkliche Leben. Und darauf standen wir – auf das, was wirklich war. Wirklich wirklich, nicht so wie beim Rap. Ich hatte Freunde in allen Cliquen. Außer bei den NEDs natürlich. Hier bei uns nennen wir sie
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