Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)

Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
 
 
G RANADA , 1491
 
    Ein Schrei erscholl. Flammen züngelten an seidenem Behang. Panische Rufe ertönten, breiteten sich aus von Zelt zu Zelt wie das Feuer, das von einer seidenen Standarte zur nächsten übersprang, Halteseile erklomm und durch Zelteingänge brach. Dann begannen die Pferde vor Angst zu wiehern, und die Männer versuchten sie zu beruhigen, doch die Furcht in ihren Stimmen machte die Tiere nur noch rasender. Bald leuchtete die ganze Ebene im Schein brausender Feuer; Rauch wallte auf, Schreie und Weinen erfüllten die Nacht.
    Erschrocken fuhr das kleine Mädchen von seinem Bette auf. Laut rief es nach seiner Mutter. »Sind das die Mauren?«, kreischte die Kleine. »Kommen sie uns holen?«
    »Gott schütze uns, sie feuern auf das Lager!«, japste die Amme der Kleinen. »Heilige Mutter Gottes, sie werden mich vergewaltigen, und Euch werden sie auf ihre Krummschwerter spießen!«
    »Mutter!«, rief das Kind und sprang aus dem Bett. »Wo ist meine Mutter?«
    Mit wehendem Nachthemd stürmte die Kleine hinaus. Nun standen auch die Behänge ihres eigenen Zeltes in Flammen. Alle tausend Zelte des Heerlagers brannten lichterloh. Funken schossen wie feurige Schweife in den Nachthimmel, flogen wie ein Schwarm Glühwürmchen davon und trugen die Verheerung weiter.
    »Mutter!«, ertönte der Hilfeschrei des Mädchens.
    Da nahten aus den Flammen zwei riesige dunkle Rösser, vor den gleißenden Flammen schwarzen Sagentieren gleich. Von hoch oben, turmeshoch, beugte sich die Mutter des Kindes herab, um zu ihrer bebenden Tochter zu sprechen, deren Kopf eben an die Flanke des Pferdes heranreichte. »Bleibe bei deiner Amme und sei brav!«, befahl die Mutter ohne eine Spur Furcht in der Stimme. »Dein Vater und ich müssen zu den Soldaten sprechen.«
    »Lasst mich mitkommen, Mutter! Sie werden mich verbrennen. Lasst mich doch mitkommen! Sonst holen mich die Mauren!« Flehentlich streckte die Kleine der Mutter die Arme entgegen.
    Die züngelnden Flammen der Brände spiegelten sich auf dem Brustharnisch der Frau und auf ihren beschlagenen Beinschienen, als wäre sie eine Frau aus Metall, eine Gestalt aus Silber und Gold. Sie beugte sich noch weiter herab. »Wenn ich mich den Soldaten nicht zeige, werden sie desertieren«, sagte sie streng. »Und das willst auch du nicht!«
    »Das ist mir gleich!«, heulte die Kleine voller Angst. »Alles ist mir gleich, nur Ihr nicht! Hebt mich aufs Pferd!«
    »Das Heer ist wichtiger«, bestimmte die Frau auf dem schwarzen Ross. »Ich muss mit den Soldaten sprechen.«
    Sie wendete ihr Pferd. »Ich komme wieder und hole dich«, sagte sie über die Schulter. »Doch nun warte. Ich muss dies tun.«
    Hilflos sah das Mädchen zu, wie Vater und Mutter fortritten. »Madre! «, wimmerte es. »Madre! Bitte!« Aber die Frau wandte sich nicht um.
    »Wir werden bei lebendigem Leibe verbrennen!«, kreischte nun die Amme Madilla. »Lauft! Lauft und versteckt Euch!«
    »Du sei still!«, fuhr das Kind sie plötzlich an. »Wenn sie sogar mich, die Prinzessin von Wales, in einem brennenden Heerlager zurücklassen können, dann hast du, die du eine Moriskin bist, vom Feind doch gar nichts zu befürchten.«
    Sie schaute den Pferden nach, die von Zelt zu Zelt trotteten. Wohin die beiden Reiter auch kamen, verstummten die Schreie, und die verängstigten Soldaten fassten neuen Mut. Sie bildeten Reihen, reichten Eimer zum Bewässerungskanal und versuchten, die Brände einzudämmen. Verzweifelt lief der Hauptmann zwischen seinen Mannen umher und stieß sie mit der stumpfen Seite seines Schwertes an, damit sie wieder eine Aufstellung bildeten. Dann ließ er sie eine Verteidigungsformation einnehmen, falls die Mauren das Chaos im Heerlager bemerkt hatten und die Verwirrung nutzen wollten, um einen Ausfall zu machen. Doch kein Maure ließ sich in dieser Nacht blicken. Der Feind hockte hinter seinen hohen Festungsmauern und fragte sich vielleicht, welche Teufeleien die Christen dort unten ausheckten. Zu furchtsam waren die Mauren, um sich in das Inferno zu wagen, das die Christen entzündet hatten: Voller Misstrauen vermuteten sie eine Falle der Ungläubigen.
    Das fünfjährige Mädchen sah, wie die Entschlossenheit der Mutter sogar das Feuer besiegte, wie ihr Glaube an den Erfolg die Notlage bezwang. Die Kleine ließ sich auf einer kostbaren Truhe nieder, wickelte das Nachthemd um die bloßen Füße und wartete darauf, dass wieder Ruhe und Frieden im Lager einkehrten.
    Als die Mutter zu ihrer Tochter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher