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Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Andreas Föhr
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das?«
    »Greta Jarowicz. Wir haben vor einiger Zeit eine Anfrage nach Israel geschickt und gebeten, nach Überlebenden des Todesmarsches von Dachau zu suchen, die Hauptscharführer Albert Kieling kannten. Mit Erfolg. Greta Jarowicz hatte die Ereignisse jahrzehntelang verdrängt. Als man ihr das Foto zeigte, kam die Erinnerung zurück. Die Frau hat Sie anhand dieses Fotos als den Mörder ihrer Tochter identifiziert. Sie konnte sich auch noch an Ihren Namen und Dienstgrad erinnern.«
    Kieling schüttelte den Kopf und lachte fassungslos. »Die Frau ist eine Betrügerin. Ich weiß jetzt, wen Sie meinen. Aber Greta Jarowicz ist tot. Ich habe ihre Leiche mit eigenen Augen gesehen. Und ich habe weder mit ihrem Tod etwas zu tun noch mit dem ihrer Tochter.«
    »Ja. Eigenartig. Einen Schuss ins Herz überlebt man ja nicht, und Sie hatten es schon zu oft getan, um es falsch zu machen.«
    Kieling schwieg.
    »Sagt Ihnen der Begriff Dextrokardie etwas?«
    »Nein.«
    »Bei einem von etwa zehntausend Menschen tritt ein sogenannter Situs inversus auf. Das bedeutet, dass die Organe spiegelverkehrt im Körper sitzen. Das Herz befindet sich bei solchen Menschen auf der rechten Seite. Das wiederum nennt sich Dextrokardie. Greta Jarowicz ist so ein Mensch. Sie hat den Schuss, den Sie links unterhalb ihres Rippenbogens angesetzt hatten, überlebt und musste zusehen, wie Sie ihre Tochter erschossen.«
    Kieling schüttelte nochmals den Kopf und murmelte: »Unsinn.«
    Auf ein Zeichen Wallners kamen zwei uniformierte Beamte und führten Kieling zurück in das Untersuchungsgefängnis. Frau Kieling und ihr Sohn blickten ihm fassungslos nach, dann zu Wallner. Doch Wallner hatte keine Lust auf Erklärungen. Er zog den Reißverschluss seiner Daunenjacke hoch und ging zu seinem Wagen.

    Als Wallner nach Miesbach zurückkam, war es dunkel. In den Straßen der Innenstadt verbreiteten die Weihnachtsbeleuchtung und der Geruch nach gebrannten Mandeln und Glühwein eine seltsam behagliche Stimmung. Nieselregen durchnässte Wallners Daunenjacke und seine Wollmütze, und Tropfen setzten sich auf seinen Brillengläsern ab. Es war ihm gleich. Er ging durch die nächtliche Kleinstadt und hing seinen Gedanken nach. Seit der Beerdigung hatte er zweimal mit Claudia telefoniert. Es waren vorsichtige Gespräche gewesen, und es schien, als würde einer den anderen abtasten und als wären sie beide sich ihrer Gefühle nicht sicher. Wallner wünschte sich sehr, dass Claudia ihm seine Korrektheit verzieh. Aber sie steckte im Augenblick in einem Gewirr von Gefühlen, und noch dazu stand die Scheidung von ihrem Mann bevor.

    Manfred saß vor einer Flasche Bier in der dunklen Küche, als Wallner hereinkam.
    »Warum machst du kein Licht?«, fragte Wallner, beließ es aber bei der Dunkelheit.
    »Keine Lust.« Manfreds Stimme klang belegt.
    Wallner setzte sich zu seinem Großvater an den Küchentisch. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er, dass Manfred weinte. »Was ist passiert?«
    »Ich hab’s verbockt«, sagte Manfred und nahm einen langen Schluck Bier. »Sie ist weg.«
    »Wer? Die Oma?« Wallner war alarmiert.
    Manfred schob ihm einen Brief über den Tisch. Wallner nahm ihn und stand auf.
    »Lass das Licht aus. Ich sag dir, was drinsteht.«
    Wallner setzte sich wieder.
    »Sie schreibt, sie mag mich noch, aber sie liebt mich nicht mehr. Seit vielen Jahren schon nimmer. Und dass sie glaubt, dass das bei mir auch so ist.«
    »Wo ist sie?«
    »Auf Lanzarote. Herr Lendtrock hat da ein Haus. Und da sind sie jetzt. Oder fliegen gerade hin. Ich weiß es nicht.«
    Wallner holte sich auch ein Bier. Beide sagten lange nichts. Dann fragte Manfred: »Glaubst, sie kommt zurück?«
    »Bestimmt«, sagte Wallner und wusste, dass es nicht stimmte. Manfred atmete hörbar tief und schluckte. Wallner legte ihm den Arm auf die Schulter. »Das wird schon wieder.«

    Eine Woche vor Weihnachten rief Wallner Claudia auf dem Handy an, das sie seit neuestem besaß. Sie hatte sich länger nicht gemeldet, schien aber in aufgeräumter Laune zu sein. »Wenn man mit den Dingern angerufen wird, muss man immer fragen, wo der andere gerade ist«, sagte Wallner.
    »In einem Café gegenüber dem Amtsgericht. Mit Simone. Jeder von uns hat zwei Stück Torte vor sich, und die essen wir jetzt. Und vielleicht noch ein drittes.«
    »Gibt’s was zu feiern?«
    »Ich hatte gerade den Scheidungstermin.«
    »Oh – wie ist es gelaufen?«
    »Super. Er kriegt das Haus, ich Simone.«
    »Da
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