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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars
Autoren: Kim Stanley Robinson
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    Der Mars war leer, ehe wir kamen.
    Das soll nicht heißen, es wäre niemals etwas geschehen. Der Planet hatte sich zusammengeballt, war geschmolzen, aufgewühlt und abgekühlt. Er hatte eine Oberfläche hinterlassen, die durch gewaltige geologische - oder besser: areologische - Gebilde geprägt war: Krater, Schluchten, Vulkane. Aber all das war in mineralischer Bewußtlosigkeit geschehen und wurde nicht beobachtet. Es gab keine Zeugen — mit Ausnahme von uns, die wir von dem benachbarten Planeten aus zuschauten, und das erst im letzten Moment seiner langen Geschichte. Wir stellen das ganze Bewußtsein dar, welches der Planet je besaß.
    Jetzt kennt ein jeder die Geschichte des Mars im menschlichen Geist. Wie er für alle vorgeschichtlichen Generationen eine der wichtigsten Leuchten am Himmel war wegen seiner roten Farbe und schwankenden Helligkeit sowie der Art, wie er bei seiner Wanderung zwischen den Sternen anhielt und bisweilen sogar die Richtung umkehrte. Es war, als ob er mit alledem etwas sagen wollte. So ist es vielleicht nicht überraschend, daß alle die ältesten Namen für Mars besonders gewichtig wirken - Nirgal, Mangala, Auqakuh, Harmakhis. Sie klingen so, als wären sie noch älter als die uralten Sprachen, in denen sie vorkommen, und als wären es fossile Wörter aus der Eiszeit oder noch früher. Ja, im Laufe von Jahrtausenden war der Mars bei menschlichen Angelegenheiten eine heilige Macht; und seine Farbe machte ihn zu einer gefährlichen Kraft, da sie Blut, Zorn, Krieg und das Herz darstellte.
    Dann bescherten uns die ersten Fernrohre einen näheren Anblick. Wir sahen die kleine orangefarbene Scheibe mit ihren weißen Polen und dunklen Flecken, die sich ausdehnten und schrumpften im Verlauf der langen Jahreszeiten des Planeten. Keine technische Verbesserung der Teleskope gab uns jemals mehr als das. Aber die besten von der Erde aus gewonnenen Bilder gaben Percival Lowell genügend undeutliche Hinweise für die Erfindung einer Geschichte, die wir alle kennen, der Geschichte von einer sterbenden Welt und einem heldenhaften Volk, das in seiner Verzweiflung Kanäle baute, um das letzte tödliche Vordringen der Wüste zu verhindern.
    Das war eine großartige Geschichte. Aber dann schickten die Sonden Mariner und Viking ihre Fotos, und alles änderte sich. Unser Wissen über den Mars erweiterte sich um Größenordnungen, und wir erfuhren buchstäblich millionenfach mehr über ihn, als wir zuvor besaßen. Und so entfaltete sich vor uns eine neue Welt, eine Welt, die niemand geahnt hatte.
    Indessen schien sie eine Welt ohne Leben zu sein. Die Leute suchten nach Anzeichen früheren oder gegenwärtigen Lebens auf dem Mars, nach allem möglichen von Mikroben bis hin zu den unglücklichen Erbauern von Kanälen oder sogar Besuchern von außerhalb. Wie Sie wissen, wurden niemals Hinweise solcher Art gefunden. Und so sind natürlich Geschichten erblüht, um die Lücke zu füllen - gerade so wie zu Zeiten von Lowell oder Homer oder der Höhlenmenschen und Bewohnern von Savannen. Das waren Geschichten von Mikrofossilien, die durch unsere Bio-Organismen vernichtet wurden, oder von Ruinen, die in Staubstürmen gefunden wurden und dann für immer verloren gingen, von dem Großen Menschen und all seinen Abenteuern, sowie den schwer erfaßbaren kleinen roten Männchen, die man immer nur im Augenwinkel zu sehen bekam. Diese Geschichten wurden alle erzählt in dem Bemühen, den Mars lebend zu sehen oder ihn wieder mit Leben zu erfüllen. Denn wir sind immer noch die Wesen, welche die Eiszeit überlebt haben, die voll Staunen zum Nachthimmel aufgeschaut und Geschichten erzählt haben. Und der Mars hat nie aufgehört, das zu sein, was er für uns von Anbeginn gewesen ist - ein großes Zeichen, ein großes Symbol, eine große Macht.
    Und so sind wir hierher gekommen. Er war eine Macht, jetzt ist er ein Ort.

»...und so sind wir hierher gekommen. Was sie aber nicht erkannten, war, daß wir um die Zeit, da wir auf den Mars kamen, durch die Ausreise so verändert sein würden, daß das, was man uns zu tun aufgetragen hatte, keine Rolle mehr spielte. Es war nicht wie Leben unter Wasser oder wie die Besiedlung des Wilden Westens - es war eine völlig neue Erfahrung. Und als der Flug der Ares andauerte, war die Erde schließlich so weit entfernt, daß sie nicht mehr war als ein blauer Stern unter all den anderen, so weit entfernt, daß sie aus einem früheren Jahrhundert zu stammen schien. Wir waren auf uns allein gestellt
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