Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Andreas Föhr
Vom Netzwerk:
vergleichen.«
    »Aber?«
    »Wissen Sie, der Unterschied zu damals ist, dass wir heute Gesetze haben, die beachtet werden. Und nach diesen Gesetzen kann Albert Kieling in Ermangelung von Beweisen nicht für seine Taten verurteilt werden. Und ich sehe meine Aufgabe als Polizist darin, die Gesetze zu befolgen. Wenn nicht wir, wer dann?«
    Sie schwiegen eine Weile, und Lukas hatte wohl die Hoffnung, dass Wallner über seinen Vorschlag nachdachte.
    »Wie ist Beck dahintergekommen?«, fragte Wallner schließlich. »Durch das Foto?«
    »Ja. Wie Sie gesehen haben, ist es in dem Aktenordner für das Jahr 1945.«
    »Aber der alte Beck wusste nicht, wer das auf dem Foto war. Das stand nicht dabei.«
    »Richtig. Aber es existieren noch andere Fotos von mir in den Akten. 1948 gab es ein Jugendfußballspiel in Dürnbach, das ich als Schiedsrichter gepfiffen habe. Die Dürnbacher haben acht zu null verloren. Deswegen hat mich der alte Beck mehrfach fotografiert. Der war davon überzeugt, dass man mich bestochen hatte. Und da stand natürlich groß mein Name unter den Bildern.«
    »Diese Fotos hat Uwe Beck zufällig entdeckt?«
    »Nicht zufällig. Der hat die Unterlagen systematisch durchsucht, ob es noch weitere Fotos von dem Todesschützen gibt.«
    »Sagen Sie – das Foto von Haltmayer als SA-Mann mit dem Volkssturmtrupp, das war nicht im falschen Ordner, oder?«
    »Nein. Das war natürlich in dem Ordner von fünfundvierzig. Ich dachte mir, damit könnte man Haltmayer unter Druck setzen.«
    »Hat gut funktioniert.« Wallner stellte seine Flasche ab und verschränkte die Arme. »Wie viel wollte Beck von Ihnen?«
    »Eine halbe Million. Er hatte völlig irre Vorstellungen von meinen finanziellen Verhältnissen. Ich hätte nicht mal fünfzigtausend gehabt.«
    »Was haben Sie dazu gesagt?«
    »Ich wollte das nicht im Büro besprechen. Wir haben uns für den Abend bei ihm zu Hause verabredet. Ich habe versucht, ihn zur Vernunft zu bringen, er ist stur geblieben, wir haben gestritten – und den Rest kennen Sie.«
    Wallner stellte seine Flasche auf die Arbeitsfläche der Küche. »Danke fürs Bier.«
    »Was werden Sie jetzt tun?«
    »Was ich tun muss.«
    Lukas nickte, als sehe er ein, dass Wallner recht hatte. »Versprechen Sie mir eins?«
    »Was?«
    »Dass Sie noch eine Nacht drüber schlafen und morgen früh zu mir kommen.«
    »Morgen ist Totensonntag, stimmt’s?«
    Lukas lachte gequält. »Ja. Morgen hat mein Vater Geburtstag.«
    Lukas geleitete Wallner zur Tür. Als Wallner schon draußen vor der Wohnung stand, hielt ihn Lukas noch einmal zurück. »Ich habe noch eine andere Bitte – die mag Ihnen ein bisschen seltsam vorkommen.«
    »Nur zu. Mir kommt gar nichts mehr seltsam vor.«
    »Sie werden mal hier das Sagen haben, da bin ich mir sicher. Es sei denn, Sie gehen ins Ministerium. Aber das glaube ich nicht. Da gibt es zu viele Leute, die Ihnen reinreden.«
    »Danke für die freundliche Prognose. Was ist die Bitte?«
    »Passen Sie auf Kreuthner auf. Ich habe ihn aus der Sache am Hirschberg rausgehauen. Aber er wird wieder Mist bauen. Kümmern Sie sich um ihn, wenn’s mich nicht mehr gibt.«
    »Ich dachte, Kreuthner geht Ihnen auf die Nerven.«
    »Natürlich geht er mir auf die Nerven. Der Mann ist Anarchist. Mit so jemandem kann man nicht arbeiten. Andererseits …« Lukas zuckte mit den Schultern, als sei er sich nicht sicher, ob das, was er sagen würde, Sinn machte. »Wissen Sie – mit Typen wie Kreuthner funktioniert keine Diktatur auf der Welt. Passen Sie auf sich auf.«
    Er gab Wallner einen Klaps auf die Schulter und schloss die Tür. Wallner stand noch eine Weile im Treppenhaus und spürte dem Gefühl nach, das ihm im Genick saß. Es war das Gefühl, das er hatte, wenn ihm die Dinge aus der Hand glitten. Aber was war es, das ihm gerade aus der Hand glitt?
    Als das Licht im Treppenhaus ausging, machte Wallner sich auf den Weg nach Hause.

68
    Mai 1945
    T homas Nissl hatte sich im hintersten Winkel des Kellers versteckt. Er fürchtete die SS-Leute. Der Rottenführer hatte nur gedroht, ihn erschießen zu lassen. Denen von der SS traute er es zu. Und so hockte er neben einem verrosteten Eisenregal und hoffte, die da draußen hätten Wichtigeres zu tun, als ihn umzubringen. Irgendwann hörte er einen Schuss, dann schrie einer der SS-Männer. Es klang wütend.
    Nissl schlich vorsichtig zu dem vergitterten Fenster und spähte hinaus. Vor dem Sakerer Gütl brüllte der SS-Mann auf den Jungen vom Volkssturm ein und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher