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Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Andreas Föhr
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schillerndsten Farben loben und als Musterbeispiel deutscher Soldatentugend preisen würde. Er hatte ein wenig gebangt, ob Haltmayer die passend hehren Worte finden würde, um seine Tat ins gebührende Licht zu rücken. Etwa in der Art, dass er, Haltmayer, in seinem langen Soldatenleben noch nie einen derart ausgekochten, unerschrockenen Fünfzehnjährigen gesehen habe und dass jedermann stolz darauf sein könne, mit so einem Prachtkerl verwandt zu sein. Und Onkel Kurt hätte ihm gegen die Brust geboxt und gesagt, dass er schon immer gewusst habe, dass er ein mit allen Wassern gewaschener Hund sei, und dass er gar nicht sagen könne, wie stolz er auf seinen Neffen sei. Und dann hätte er Erich seinem Vorgesetzten vorgestellt, und der hätte soldatisch trocken, aber voll innerer Bewunderung gesagt, das sei eben gutes Blut, oder vielleicht wäre ein Wort wie Teufelskerl gefallen.
    All das hatte der fünfzehnjährige Volksstürmer Erich Lukas immer wieder in den unterschiedlichsten Versionen im Kopf durchgespielt. Und jetzt fällt ihm beim Gruß das Gewehr runter.
    Onkel Kurt flüsterte ihm hastig zu: »Komm, heb die Knarre auf!« Es war offensichtlich, dass er sich für seinen Neffen schämte. Er schämte sich so sehr für diesen Tölpel, dass er ihn seinem Vorgesetzten nicht einmal als Verwandten vorzustellen wagte. Erich dachte einen Moment ernsthaft daran, sich vor den Augen seines Onkels eine Kugel in den Kopf zu schießen. Allerdings wusste er nicht, wie man das mit einem Gewehr anstellen sollte, und fürchtete, sich am Ende noch mehr zum Gespött des Hauptscharführers zu machen.
    Kieling trat an die Bank heran, auf der Frieda Jonas saß. Sie sah zu ihm auf. »Das Kleid steht dir.«
    »Danke«, sagte Frieda. »Warum bist du hier?«
    »Du bist auf der Flucht.«
    »Ich weiß. Und die Amerikaner sind bald da.«
    »Da muss man sich beeilen, wenn man noch eine Rechnung offen hat.«
    Frieda schluckte und zog ihre Strickjacke enger um den Körper.
    »Jetzt sind wir wieder zu Hause.« Kieling stellte ein Bein auf die Bank und stützte sich mit dem Unterarm darauf.
    »In ein paar Stunden könnten wir wieder von vorne anfangen.«
    »Nein«, sagte Kieling. »Das können wir nicht. Glaubst du, ich werd wieder den Knecht machen?«
    Haltmayer trat an Kieling heran. »Werden wir noch gebraucht? Ich meine nur, mir müssen ja eigentlich zum Kampfeinsatz.«
    »Verschwinde endlich«, sagte Kieling genervt und wandte sich wieder Frieda zu.
    Haltmayer zog eilig ab, und einer der Volkssturmjungen kam mit ihm. Kieling sah Frieda an, sein Blick wurde wärmer und ein wenig traurig. »Warum hast du das damals gemacht?«
    Frieda zuckte die Schultern. »Ich war jung und dumm, und ich hatte Angst, dass mich der Ägidius wegschickt. Ich bin nicht stolz drauf. Aber ich hab’s gebüßt.«
    »Ja. Ich weiß, wie’s im KZ zugeht.«
    Sie schwiegen eine Weile. Frieda hielt den Blick auf den Boden gerichtet und sah ab und zu vorsichtig nach, ob Kieling irgendetwas machte. Etwa seine Pistole zog. Es geschah nichts. Beide hingen ihren Gedanken nach.
    »Wann hast du mich erkannt?«, fragte Frieda schließlich.
    »In dem Moment, als ich dich gesehen habe. Das Wilde in deinen Augen, das hab ich erkannt. Das hat sonst keiner mehr nach sechs Jahren Lager. Du bist immer noch schön.«
    »Und jetzt?«
    »Verabschieden wir uns. Wir werden uns lange nicht sehen.« Frieda blickte ängstlich auf Kielings Pistole. »Keine Angst«, sagte Kieling. »Weißt du, warum ich dir hinterher bin?«
    »Um dich zu rächen?«
    »Ich wollte dich noch einmal in einem Kleid sehen.« Frieda sah an ihrem Kleid hinab, das ihr lose um den dürren Körper hing. »Es steht dir.« Kieling lächelte sie an und dachte offenbar an eine schönere Zeit. »Mach’s gut.«
    »Es tut mir leid«, sagte sie leise.

    Kieling kam zurück zu Kurt Lohmeier und Erich Lukas. »Wird langsam Zeit, dass wir gehen«, sagte Kieling.
    »Kann er mitkommen?« Lohmeier deutete auf seinen Neffen. »Er will kämpfen.«
    »Bist du nicht mehr ganz dicht? Was sollen wir mit dem Milchbubi? Der soll nach Hause gehen und sich von der Mama einen Kakao machen lassen.«
    »Bitte«, sagte Erich Lukas weinerlich. »Ich werde Sie nicht enttäuschen. Ich bin bereit, mein Leben zu geben.«
    »Hör zu, du Rotzlöffel: Du hast nicht die leiseste Ahnung, was Krieg bedeutet. Hast du schon mal jemanden erschossen?«
    Erich Lukas schüttelte mit gesenktem Blick den Kopf.
    »Da«, sagte Kieling und deutete auf die Frau, die immer
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