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Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Titel: Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)
Autoren: C.J. Lyons
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herauszulassen.
    Entschärfen. Als wäre ich eine tickende Zeitbombe, die bei der kleinsten Erschütterung hochgehen könnte. Tick, tick … bumm!
    Genauso fühle ich mich. Ständig von unbändigem Zorn erfüllt, der in mir aufsteigt wie eine Giftschlange kurz vor dem Angriff. Zugleich eingeschlossen in einen undurchdringlichen Panzer aus Blei. Sie sagen mir, ich solle alles herauslassen, aber das wollen sie nicht wirklich. Ich will es jedenfalls nicht, Gott bewahre! Wenn ich es täte, könnte ich vielleicht nie wieder aufhören, zu schreien …
    Also, jetzt weißt Du, wie es mir so geht. Wie läuft es bei euch? Passt Du gut auf Josh auf? Ich weiß, dass Du das tust – verflucht, sogar Damian Wright wusste das. Deswegen ist er euch auch in den Wald gefolgt. Ihm war klar, dass er dort eine größere Chance hätte, dich zu überrumpeln und an Josh heranzukommen.
    Habe ich Dir erzählt, dass die Polizei eine seiner Speicherkarten gefunden hat? Während ich mit ein paar anderen Lehrern in Albany festsaß und mir anhören musste, dass »kein Kind aufgegeben werden soll«, hat diese Bestie Josh ausspioniert. Auf der Karte fanden sich unzählige Bilder von Dir und Josh im Park, auf dem Weg nach Hause, sogar eines, das Dich und Josh im Wohnzimmer zeigt, wo ihr auf dem Fußboden miteinander ringt. Oh, es gab auch noch andere kleine Jungs, die er beobachtet hat, aber sie waren schnell vergessen, sobald er Josh entdeckt hatte.
    Unser bildhübscher kleiner Junge. Ich werfe Dir nichts vor. Die Polizei sagte, bei der Blutmenge, die auf dem Weg gefunden wurde, musst Du Dich tapfer gewehrt haben. Heroisch, hat es Chief Waverly genannt.
    Sie haben auch Blutspuren von Damian gefunden. Hauptsache keine von Josh, dachte ich damals – wie dumm von mir! Aber damals griff ich nach jedem Strohhalm, hielt mich an jedem Funken Hoffnung fest.
    Ich war so verdammt wütend. Weil ich nicht dort war, als ob ich irgendwie hätte verhindern können, was geschehen ist. Wütend auf die dämliche Regierung, die Zeit und Geld an ein dummes Gesetz verschwendet, das gut klingt, aus unseren Kindern aber kleine Lichter macht – entschuldige, diese Schimpfkanonade hast Du schon oft genug gehört, nicht wahr?
    Größtenteils bin ich wütend auf Gott. Wie konnte er das zulassen? Diese zwei Jungs aus Vermont? Der andere, der in Tennessee gefunden wurde, nachdem ihnen Damian hier entwischt ist?
    Und dann diese rothaarige FBI -Agentin – Du hättest über ihren burschikosen Kurzhaarschnitt, den schlecht sitzenden Rock und die klobigen Schuhe gelacht. Wie sie immer eine Hand in die Hüfte stemmte, als wüsste sie selbst nicht, ob sie eine Frau ist oder doch zu den Jungs gehört. Ich habe zufällig mit angehört, wie sie Chief Waverly erzählt hat, es sei typisch für Damian, sich seine Beute mit bloßen Händen zu schnappen, und dass er seine Opfer immer schnell und brutal umbringt, sich während der Tat durch den direkten Körperkontakt ein Machtgefühl verschafft – woher zum Teufel will sie das wissen?
    Da hat Hal Waverly mich entdeckt und sie unterbrochen. Mich an den Schultern gepackt, zu seiner Mannschaft gebracht und mir etwas Heißes zu trinken gegeben, damit das Zähneklappern aufhört. Und er hat mir von dem Blut auf der Lichtung neben dem Weg berichtet. Dass sie dort Joshs zerfetzten Plüschtiger gefunden hätten. Wegen des Hurrikans jedoch die Suche abbrechen würden. Dass sie noch mal mit den Spürhunden rausgehen wollten, sobald es wieder aufklart.
    Ich müsse vom Schlimmsten ausgehen und es akzeptieren. Als ob ich das jemals könnte. Ohne Dich und Josh tot gesehen zu haben. Wie könnte ich so leicht aufgeben?
    Das war letzte Woche. Kommt mir vor wie ein anderes Leben. Die Suchhunde aus Saranac sind inzwischen alle unten in Mississippi und New Orleans im Einsatz. Das FBI ist längst wieder weg, nur das Absperrband hängt noch vor dem Zimmer drüben im Locust Inn in Merrill, dort, wo Damian Wright sich einquartiert hatte. In Tennessee sei er ihnen nur knapp entwischt, hieß es in den Nachrichten – »dem Mörder dicht auf den Fersen«.
    Wenn ich Damian wäre, würde ich mich auf den Weg nach Texas machen, mich unter die Flüchtlinge mischen und in der Menge untertauchen. Ich frage mich, ob die Polizei diese Möglichkeit in Betracht zieht und ihn dort sucht? Immerhin schien er in südlicher Richtung unterwegs zu sein. Die Mutter in Tennessee hat wenigstens einen Leichnam, den sie beerdigen kann – ein paar Jäger haben Damian überrascht, ehe er
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