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Die Einheit: Thriller (Tokio Killer) (German Edition)

Die Einheit: Thriller (Tokio Killer) (German Edition)

Titel: Die Einheit: Thriller (Tokio Killer) (German Edition)
Autoren: Barry Eisler
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Kapitel
Eins
    Ich hatte seit fast vier Jahren niemanden mehr getötet. Aber alle guten Dinge gehen irgendwann zu Ende.
    Es war schön, wieder in Tokio zu leben. Das Antlitz der Stadt hatte sich verändert und das große Erdbeben von Tōhoku und der Tsunami machten sich noch in Form von gedimmter Beleuchtung und heruntergeregelten Klimaanlagen bemerkbar. Die Stimmung schwankte irgendwo zwischen Angst und Entschlossenheit, aber in seiner zeitlosen, elementaren Energie ist Tokio unwandelbar. Klar, während meines Aufenthalts in sichereren Gefilden hatte sich eine Fülle von
Starbucks
und
Dean & Delucas
breitgemacht, begleitet von ihren zahllosen Nachahmern, aber die wirklich wichtigen Refugien waren gegenüber dieser neuartigen Seuche immun geblieben. Im
Body & Soul
in Minami Aoyama, wo kein Platz zu weit von der Bühne entfernt ist, dass man den Bandmitgliedern nicht ein leises Dankeschön zuflüstern könnte, wurde immer noch Jazz gespielt. Im
Café de l’Ambre
in Ginza, wo der Besitzer Sekiguchisensei noch täglich selbst die Bohnen röstet, obwohl er inzwischen auf die Hundert zugeht, wurde weiterhin Kaffee serviert. Und einen guten Schluck gab es im
Campbelltoun Loch
in Yurakucho, wo der Besitzer und Barkeeper Nakamura-san einem gerne eine der raren Flaschenabfüllungen empfiehlt, die für kurze Augenblicke die Welt vergessen lassen – falls man das Glück hat, einen der acht Plätze in seinem versteckten Kellerlokal zu ergattern.
    Ich schlief manchmal unruhig, obwohl ich mir sagte, dass niemand mehr hinter mir her war. Falls doch, würde er natürlich an den Orten anfangen, die ich früher regelmäßig besucht hatte. Aber die Bars und Cafés und Jazzclubs, die mir gefielen, eigneten sich schlecht zur Überwachung, es sei denn, man verfügte unbegrenzt über Personal. Es gab einfach zu viele davon in Tokio und mein Erscheinen dort war nicht vorhersehbar. Da konnte man monatelang oder auch ewig warten und selbst wenn es unangenehmere Observierungsposten gibt als die von Tokios Nachtschwärmern frequentierten Etablissements, fällt man als Beobachter irgendwann auf, vor allem als Ausländer. In der Zwischenzeit würde der Auftraggeber ungeduldig werden.
    Damit blieb als meine Achillesferse der Kodokan. Ich hatte dort beinahe fünfundzwanzig Jahre lang trainiert, bevor mächtige Feinde mich dazu zwangen, aus der Stadt zu fliehen. Feinde, die zu überleben mir auf die eine oder andere Art gelungen war. Das Judotraining im Kodokan war stets mein Schwachpunkt gewesen, die einzige Art von Routine, die ich mir gestattete, ein Muster, nach dem man mich in Zeit und Raum lokalisieren konnte. Wenn ich immer wieder dorthin zurückkehrte, dann vielleicht, um mir auf diese Art selbst zu versichern, dass meine Feinde allesamt tot waren. Oder ich sagte damit:
Komm doch her, komm doch her, wo immer du sein magst
.
    Randori
, das freie Training, wurde im
Dai-dojo
veranstaltet, einem modernen, zweigeschossigen Raum aus vier miteinander verbundenen Wettkampfflächen mit einer umlaufenden Galerie für die Zuschauer. Jeden Abend zog es gut zweihundert
Judoka
im traditionellen weißen
Judo-gi
, dem Judoanzug, in die Übungshalle – Männer und Frauen, Japaner und Ausländer, Collegestars ebenso wie ergraute Veteranen. Der riesige Raum hallte wider von Angriffsschreien und den Grunzlauten der Anstrengung; von ernsthaften Diskussionen über Taktiken und Techniken zwischen Leuten, die keine gemeinsame Sprache besaßen;vom schweren Trommelschlag der Körper, die auf den
Tatamis
, den Bodenmatten, einschlugen; den Zimbelschlägen der offenen Handflächen, die gegen die Matten klatschten, um bei den
Ukemis
, den Fallübungen, den Aufprall zu dämpfen. Ich habe diese Kakofonie des
Dai-dojo
immer geliebt. Ich stand aber auch schon allein in seiner Mitte, wenn er vollständig verlassen war. Seine feierliche Ruhe während des Tages, dieses überwältigende Gefühl von Geduld und Potenzial, hat eine ganz eigene Magie. Doch es ist der Klang des abendlichen Trainings, der den Raum seiner Bestimmung zuführt und die schlafende Halle zum Leben erweckt.
    An Trainingsabenden sind die Zuschauerränge normalerweise leer, auch wenn man gelegentlich ein paar vereinzelte Leute herumsitzen sieht, die den
Judoka
unten bei ihren Übungen zusehen: einen Schüler, der auf einen Freund wartet; einen Vater, der darüber nachdenkt, sein Kind im Kodokan anzumelden; einen Kampfsportenthusiasten, der die Pilgerfahrt zum Geburtsort des modernen Judo unternimmt. Daher
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