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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt
Autoren: Marie Lucas
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Prolog
    A uf dem Innenhof habe ich ihn gleich gesehen, noch vor allen anderen, und mich sofort verliebt. Und Minuten später war es vorbei. Trennung, Schmerz, das volle Programm. An Liebe auf den ersten Blick glaubt jeder, oder fast jeder. Aber es gibt auch die Trennung auf den zweiten. Von Menschen, die man sich einfach nicht erlauben kann. Weil sie zu schön sind, zu allein. Oder weil sie ein Geheimnis haben.
    So, wie ich mir Niki nicht erlauben konnte.
    Ich wurde von Alice herumgeführt, meiner neuen Mitschülerin, die sich »A-li-ze« nannte. »Sag bloß nicht ›Ällis‹, das klingt so affektiert«, erklärte sie, während sie mir den Biologieraum, die Toiletten und den Raucherhof zeigte. »Das mit dem Rauchen, das hat sich erledigt. Das war einmal. Der heißt nur noch so. Eigentlich ist es jetzt nur noch der Innenhof. Früher hatten sie hier mal Schildkröten, siehst du? Da drüben. Aber die waren echt gefährlich. Die aus der Bio- AG mussten sie füttern und …«
    Alice quatschte gern. Soviel hatte ich schon nach den ersten Minuten rausgefunden. Und egal, wie cool und nett oder sonst wie sie noch sein sollte: Wer viel quatscht, der will auch viel erfahren. Und das strich Alice schon einmal von der Liste meiner möglichen neuen Freundinnen.
    Sie sprach noch immer über Schildkröten oder Rauchen oder rauchende Schildkröten, als ich ihn sah. Er stand allein inmitten all der Leute, die ich kennenlernen musste, und wenn ich allein sage, dann meine ich allein: Es war, als hätte jemand einen Kreis um ihn gezogen. Eine unsichtbare Grenze, die keiner der anderen zu überschreiten wagte. Oder aber überschreiten wollte.
    Er sah unglaublich gut aus. Er trug Jeans, einen blauen Kapuzenpulli, Lederjacke. Unter einer Mütze sah man seine dunklen Locken, er hatte die blauesten Augen, die ich je gesehen habe, und einen Piercingring um die Unterlippe, links, direkt neben seinem Mundwinkel. Es war mir gar nicht bewusst, dass ich stehen geblieben war und ihn anstarrte, bis mich Alice in die Seite stieß. »Was ist? Bist du eingeschlafen?«
    Ich blinzelte. Mein Herz klopfte. Mit einem Mal dachte ich nicht mehr an meine Deckung, die Grenze, die auch ich um mich ziehen wollte, wie dieser Junge dort drüben, sondern war einfach nur da. Es fühlte sich unglaublich
lebendig
an. Als wäre ich nach langer Zeit endlich aufgewacht, oder so.
    »Wer ist denn das?«, fragte ich. Ich zeigte sogar. Wie ein Kind, das ein seltenes Tier sieht.
    »Wer denn? Da drüben?« Alice folgte meinem ausgestreckten Finger. »Oh«, sagte sie, und dieses ›oh‹ ließ mich regelrecht zusammenzucken. »Also von dem hältst du dich besser fern.«
    »Fern? Wieso?«
    Alice drückte meine Hand runter. »Das ist Niki, der ist auch in unserer Klasse.« Sie zögerte. Bei jemandem wie Alice, die normalerweise ihr Herz auf der Zunge trug, ein schlechtes Zeichen. »Niki ist …«, begann sie, »ich weiß auch nicht. Niki ist eben Niki. Er sieht gut aus, das schon.« Sie schwieg. »Naja, das wirst du ja schon noch selbst merken. Und jetzt komm. Die Führung geht weiter.«
    Sie zog mich am Arm, während ich ihn weiter anstarrte. Und seinem ruhigen, gleichgültigen Blick begegnete. Augen, die mich nicht mehr losließen. Blaue, tiefe Augen, wie das Meer, und ich neige sonst nicht zu solch romantischen Vergleichen, im Gegenteil: Deutsch ist nicht gerade mein Lieblingsfach. Aber dieser Typ war einfach … Nichts für mich, sagte ich mir schnell. Er war zu schön, er war zu allein, und das ›oh‹ von meiner neuen Mitschülerin konnte nur bedeuten, dass er trotz allem, trotz seiner Augen, ein Außenseiter war.
    Und das wollte ich nicht. Nicht nach all dem, was ich letztes Jahr mitgemacht hatte. Ich brauchte nette Freunde, die nicht zu neugierig waren. Unbedingt. Was ich nicht brauchte, waren Komplikationen, und dieser Niki war anscheinend Komplikation pur.
    Womit ich nicht gerechnet hatte, war, wie schwer mein Herz daraufhin wurde. Mein Magen protestierte, mir wurde schlecht, und mit Erstaunen stellte ich fest, dass es echte Trauer war. Liebeskummer.
    Oh ja, es gibt sie wirklich, die Liebe auf den ersten Blick. Und es gibt genauso den Schmerz danach.

1 . Teil
    1 . Kapitel
    » K ommst du, Julia?« Felix streckt die Hand nach mir aus. Er lacht, und das wirkt immer ansteckend.
    Ich kann nicht anders als zurückzulächeln. »Klar doch«, sage ich und ergreife seine Hand. Sie fühlt sich warm an, und ich lehne mich im Gehen an seine Schulter.
    »Wieder nicht gut
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