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Die Quellen Des Bösen

Die Quellen Des Bösen

Titel: Die Quellen Des Bösen
Autoren: Markus Heitz
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N ach einem schier unendlichen Strom unglaublicher Schmerzen ebbte die Qual langsam ab, verringerte sich mehr und mehr und verlief sich schließlich im Nichts. Eine nie gekannte Unschwere stellte sich ein, und Wärme und Behagen verjagten die letzten schrecklichen Erinnerungen an die Leiden, die zuvor zu erdulden waren.
    Wo bin ich hier?
    Vorsichtig erkundete er seine Umgebung, die in völliger Dunkelheit lag. Seine Finger tasteten sich voran, ohne auf Widerstand zu stoßen.
    In völliger Blindheit taumelte er umher. Seine Füße erzeugten kein Geräusch, der Untergrund war fest, aber nicht allzu hart. Zu rufen wagte er nicht.
    Endlich trafen die Hände auf ein Hindernis, fanden die Flügel eines zweitürigen Portals. Nach kurzem Zögern stemmte er sie auf.
    Was soll’s?! Schlimmer kann es kaum mehr kommen.
    Goldenes Licht blendete ihn, zwang ihn, die Augen zu schließen und einen Arm schützend davor zu legen, während er nach vorn wankte und schließlich vor Schwäche in die Knie ging.
    Nach einer Weile gewöhnte er sich an die Helligkeit.
    Er kauerte auf einem polierten Marmorfußboden. Strahlender Sonnenschein fiel durch riesige bemalte Fenster in den üppig eingerichteten Saal. Vogelgezwitscher drang an sein Ohr, irgendwo sangen Menschen ein tarpolisches Volkslied, und das Klingen von Tempelgongs rief die Gläubigen zum Gebet. Ich bin anscheinend im Palast.
    Direkt vor sich erkannte er ein Paar graue Militärhosen. Seine Blicke wanderten an der dünnen, gichtverkrümmten Gestalt in der vertrauten Uniform hinauf, die sich auf einen Säbel anstelle eines Gehstocks stützte. Grüngraue Augen schauten teilnahmslos auf ihn herab.
    Neben dem betagten Mann stand ein etwas jüngerer mit einem stattlichen, bis auf die Brust reichenden schwarzen Vollbart und einem ordentlichen Bauch. Dessen braune Augen ruhten freundlich auf dem Gesicht des unangemeldeten Besuchers.
    »So hat Er es tatsächlich geschafft, ein unrühmliches Ende zu nehmen«, bemerkte der Ältere schneidend. »Und das, nachdem es so gut mit ihm als Kabcar angefangen hat.« Die Spitze der Säbelscheide stieß hart auf den Boden und erzeugte ein knallendes Geräusch. »Er ist einfach zu weich. Das hat Er nun davon, Er mit seinen eigentümlichen Ideen und seiner Gutgläubigkeit.«
    »Vater?« Lodrik erhob sich und starrte die Gestalt an. »Er ist tot. Ich habe ihn doch verbrannt.«
    »Und meine Asche auf den Kaminsims gestellt«, ergänzte Grengor Bardri¢, der ehemalige Kabcar von Tarpol, ungehalten. »Seine Ankunft hier und seinen Abgang sehe ich daher schon mit einer gewissen Genugtuung. Ich hatte wenigstens ein ordentliches Begräbnis.«
    Lodrik schaute zu dem anderen. »Ihr seht aus wie Ijuscha Miklanowo«, sagte er zögerlich. »Auch Ihr seid tot. Ihr wurdet vor vielen Jahren das Opfer eines borasgotanischen Giftmischers.«
    Der letzte Kabcar Tarpols entdeckte sich selbst in einem der vielen Spiegel, die an der Wand angebracht waren. Er registrierte die unbeschädigten Kleider, die er vor wenigen Lidschlägen noch im Steinbruch außerhalb der Stadt getragen hatte. Keine Wunden klafften, keine Spur von Blut zeigte sich. Hat mein Verstand etwa unter den Ereignissen gelitten?
    Sein Lehrer aus der Provinz Granburg schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln und legte ihm die Hände auf die Schulter. »Nein, Lodrik. Ich sehe nicht nur so aus, ich bin es. Ich bin hierher gekommen, um dich im Reich der Toten willkommen zu heißen.«
    »Und ich ebenfalls«, meinte Grengor Bardri¢ genüsslich.
    Der Herrscher machte entsetzt einen Schritt zurück und schüttelte die Arme des Brojaken ab. »Nein! Das kann nicht sein. Ich war eben noch im Steinbruch vor Ulsar und habe …« Abrupt endete er. Govan hat mich umgebracht?
    Miklanowo faltete die Arme vor dem Bauch. »Ich dachte mir schon, dass es dir nicht leicht fallen wird, den Tod anzunehmen. Er kam bei dir mindestens so überraschend wie bei uns beiden.« Der Großbauer deutete auf Grengor. »Uns alle verbindet eine Gemeinsamkeit: Wir wurden getötet.«
    »Wenn das hier das Jenseits ist, warum sind wir dann nur so wenige?«, verlangte Lodrik zu wissen. »Und warum sieht es hier aus wie im Palast von Ulsar?«
    »Oh, wir sind nicht wenige«, erklärte Miklanowo geduldig. »Die anderen sind draußen in der Stadt und gehen ihren Geschäften nach. Das heißt, sie genießen ihr Leben nach dem Tod. Sofern sie hierher gelangt sind. Kolskoi und Jukolenko sind beispielsweise nicht aufzufinden. Weiß Ulldrael der Gerechte, an
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