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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht
Autoren: Oliver G Wachlin
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der Stadt explodieren. Wer jetzt in die schönsten Stücke investierte, machte später garantiert einen ordentlichen Reibach. Schönefeld würde neuer Großflughafen, dessen waren sich die Italiener sicher. Und wie man es auch drehte und wendete, bei allen Plänen für einen künftigen Ausbau war Arndts Acker im Weg.
    »Das ist Bauland, Signore Arndt. Sie sollten sich das Angebot nicht entgehen lassen.«
    Irgendwann sprach sich die Sache im Dorf herum. Keine Ahnung, wie das kam, Arndt jedenfalls hatte es nicht publik gemacht. Er wurde regelrecht belagert. Nur wenige hatten Bauland in der Gegend, aber alle ihre Häuser. Wenn Arndt verkaufen würde, wären sie die Gelackmeierten. Also setzten sie ihn unter Druck, vor allem jene, die schon zu DDR -Zeiten immer auf Drohungen und Repression gesetzt hatten, taten sich wieder besonders hervor. Diese Idioten! Sie waren selbst schuld. Wenn Arndt sich widersetzte, dann nur unter Druck. Das mussten die doch wissen, das war schon immer so, das hatten die Arndts in vierzig Jahren Sozialismus zur Genüge bewiesen: Druck ist das völlig falsche Mittel!
    Die Italiener hatten nie Druck gemacht, die blieben immer freundlich und argumentativ.
    Und deshalb war Jan Frido Arndt heute hierher gekommen, in die »Trattoria L’Emigrante«, um den Vertrag zu unterschreiben.
    »Bitte nehmen Sie doch Platz, Signore Arndt.« Einer der Brüder, keine Ahnung, ob Giuseppe oder Francesco, schob ihm die Bruschetta hin. »Wir essen erst ein wenig, bevor wir zum Geschäft kommen. Ist Ihnen das recht?«
    »Wenn Sie gestatten«, Arndt setzte sich und weitete etwas nervös den Krawattenknoten, »würde ich das Geschäftliche lieber vorher erledigen.«
    »Absolut kein Problem, Signore Arndt, ganz wie Sie wünschen.« Der Italiener warf einen raschen Seitenblick zu seinem Bruder, woraufhin der das Zimmer durch eine zweite Tür verließ und wenig später mit einem korpulenten, massigen Herrn mit Stirnglatze zurückkam, der eine dicke, abgewetzte Aktentasche unter dem Arm hatte.
    Er nickte Arndt zu, stellte schnaufend die Tasche ab und reichte ihm dann die Hand. »Naumann, Heribert Naumann, Notar und Rechtsanwalt – ich grüße Sie!«
    »Guten Tag!« Arndt war wieder aufgestanden und erwiderte höflich den Händedruck.
    »Ich habe«, der Notar wühlte in seiner Aktentasche, »die entsprechenden Verträge vorbereiten lassen und vorab geprüft.« Er reichte Arndt und den Italienern je einen zusammengehefteten Stapel anwaltlich versiegelter Unterlagen. »Sie sind hoffentlich zu Ihrer aller Zufriedenheit. – Setzen wir uns?«
    »Natürlich!« Die Italiener wirbelten herum, rückten Stühle zurecht und fragten, wer was trinken wolle.
    Arndt nahm stilles Wasser, der Notar Campari Soda. Die Italiener schenkten ein und genehmigten sich jeder eine Cola.
    Notar Heribert Naumann nestelte umständlich eine Lesebrille aus der Außentasche seines Jacketts und schob sie sich auf die Nase.
    »Ich werde Ihnen nun den Vertragstext Punkt für Punkt vorlesen«, sagte er langsam und mit sorgsam akzentuierter Stimme, der man die Routine anhörte. »Sie lesen bitte mit. Sollten sich Unstimmigkeiten Ihrerseits ergeben, bitte ich um Unterbrechung, damit wir den Punkt gleich verhandeln und abhaken können. Auch Fragen bezüglich des Vertrages bitte ich sofort an mich zu richten, sobald sie sich stellen. So können etwaige Unklarheiten umgehend ausgeräumt werden.« Er sah auf und in die Runde. »Noch Fragen zum Procedere?«
    Arndt schaute zu den Italienern rüber. Da die ihre Köpfe einvernehmlich schüttelten, verneinte auch er.
    »Gut, dann …«, der Notar nippte an seinem Campari Soda, »… können wir ja beginnen.« Mit sonorer Stimme begann er, den Vertragstext vorzulesen.
    Nein, fand Arndt, der Anwalt las den Text nicht nur vor, er lebte ihn. Naumanns Körper wippte vor und zurück, die Hände ruhten keinen Augenblick, gingen gestikulierend auf und nieder, die Stimme vibrierte eindringlich, als sei die Sache ungeheuer spannend. Juristische Floskeln, Ausschließungsklauseln, komplizierte Flurstückbezeichnungen, amtliche Modalitäten, Verpflichtungen des Käufers und des Verkäufers. Verschwurbelte Formulierungen der Eindeutigkeit, um etwaige Falschauslegungen des Vertragswerks unmöglich zu machen und so unanfechtbar, dass der Notar vor Wichtigkeit zu beben schien. Wie bei einem dramatischen Werk leitete er den Schluss im Stakkato ein, wischte sich mit weiter Geste den Schweiß von der Stirn, kam zum furiosen Finale und
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