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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht
Autoren: Oliver G Wachlin
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den Kopf tragen.«
    Sie unterbrach ihre Arbeit und deutete mit der Messerspitze hinüber zum Schädel auf der Kaimauer. »Und manche tragen auch solche Klüsenklappen! Oder sie haben Säbel dabei und so komische Pluster- oder Pumphosen.«
    »Und dann?«
    Hansen guckte Lotte begierig an, wenn man das in Anbetracht ihres Alters so ausdrücken durfte.
    »Die haben da ein Boot liegen, den modernen Holzkahn dahinten, von hier aus gesehen gleich hinter der schwarzen Hansekogge.«
    Sie zeigte noch einmal die Hafenanlage hinunter und wies auf eines der dort vertäuten Segelschiffe.
    »Da hocken sie denn drauf oder basteln dran herum oder fahren raus und machen einen Törn und kommen dann wieder zurück. Mehr weiß ich nicht, Olaf. Ehrlich.«
    Hansen war ganz Ohr und schien von der Beobachtungsgabe seiner Fischverkäuferin begeistert zu sein.
    Begleitet von gierigem Möwengezeter kippte Lotte jetzt einen kleinen Plastikeimer voller Schuppen und Eingeweide flugs über die Reling ins Hafenbecken, und zwar ziemlich genau an der Stelle, wo vorhin noch der tote Kopf gedümpelt hatte. Das war eine klare Ordnungswidrigkeit und, wenn ich mich richtig erinnerte, nicht erst seit gestern verboten. Das hätte eine saftige Strafe von bis zu fünftausend Euro zur Folge haben können …
    »Aber Lotte, das ist doch eine ganze Menge, was du da beobachtet hast. Kommen Sie, Kubsch, den Kahn schauen wir uns aus der Nähe an.«
    Wir kletterten vom Boot und waren schon fast auf dem Kai, da rief uns Lotte aufgeregt hinterher: »Kann ich nun endlich meinen Kutter aufmachen und Fischbrötchen verkaufen, oder habt ihr noch was?«
    Das Geschäft musste laufen, der Kommissar hatte nichts dagegen. Lotte zeigte dankbar ihre große Zahnlücke – einmal mehr ein entsetzlicher Anblick, aber das nur nebenbei.
    Am Pier mussten die Spurensucher eine Absperrung aufbauen, denn die ersten Reporter waren eingetroffen und versuchten hartnäckig, dem Kopf auf seinen nicht mehr vorhandenen Leib zu rücken.
    Reporter Raimund Tomsen und Fotograf Franz Pickrot vom OSTSEE-BLICK . Letzterer das schärfste Auge der Mecklenburger Meute. Pike, wie ihn seine Kollegen und wenigen Freunde nannten, hatte bestimmt wieder einen heißen Tipp aus unserer Kommandantur erhalten. Irgendwo war da ein Loch im internen Polizeiapparat, dem wir eines Tages nachgehen müssten.
    Wir schlenderten an der schönen schwarzen Hanse-Kogge vorbei, ein originalgetreuer Nachbau eines mittelalterlichen Wracks, das man vor gut zehn Jahren im Ostseeschlick zwischen den Inseln Poel und Langenwerder gefunden hatte.
    Der Alte Hafen von Wismar war in seiner strukturellen Entwicklung irgendwo zwischen dem ausgehenden 19. Jahrhundert und der Moderne der Nachwendezeit hängen geblieben. Einige wenige Fischerboote hielten trotzig ihre roten und schwarzen Markierungsfähnchen in die steife Ostseebrise. Eine Handvoll abgetakelter Ausflugsdampfer versuchte sich mit saisonabhängigen Hafenrundfahrten mehr schlecht als recht über Wasser zu halten. Die vielen Fenster der hohen Backstein-Getreidespeicher waren zugemauert, die imposanten Gebäude zerbröselten witterungsbedingt und standen im merkwürdigen Kontrast zum Rohbau einer neuen, eindrucksvollen Markthalle, die schon bald Eröffnung feiern wollte, und zu dem gegenüberliegenden futuristischen Technologie- und Forschungszentrum am Alten Holzhafen, von dem niemand so richtig wusste, was dort drinnen eigentlich wirklich konkret erforscht wurde. Dazwischen konkurrierten vier Fischverkaufskutter samt weiblichen Besatzungen, balgten sich zahllose, stets hungrige Seemöwen und versanken im tiefen Schlick viele verworfene Pläne, was alles mit diesem beeindruckenden Hafenareal zukünftig möglich wäre …
    Die großen Segelohren meines Chefs begannen an der frischen Luft schnell kräftig rot zu leuchten. Das waren aber auch schon seine auffälligsten Merkmale. Ansonsten war er ein eher unscheinbarer Typ. Stets in Bluejeans gekleidet, Jacke wie Hose, häufig ein Sweat- oder nur T-Shirt darunter, selten ein gebügeltes Hemd. Gegen Oberkommissar Olaf Hansen wirkte ich – trotz Feiertag – mit meinem Sakko von der Stange, meiner rahmenlosen Designerbrille und dem Paar salopper Leinenturnschuhe komplett overdressed.
    Einige Schritte später standen wir vor einem ebenfalls hübschen, etwas kleineren Segelboot, es schien verwaist. »Vandalia«, stand in schwarzen gotischen Lettern am Heck des Schiffes, darunter wie üblich der Name des Heimathafens: Wismar.
    Ein
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