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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht
Autoren: Oliver G Wachlin
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hoffentlich ist das nicht Dark!«
    Hoffentlich ist es nicht Melanie, denke ich. Alles andere ist mir wurscht.
    4    OBGLEICH DIE MAUER vor knapp elf Monaten gefallen war, blieb Berlin eine Terra incognita. Bis auf den Rudower Baumarkt und ein Autohaus in der Gropiusstadt, wo es tolle Wohnmobile gab, hatte Jan Fridolin Arndt, genannt Frido, den Westen bislang gemieden. Er kannte sich hier einfach nicht aus, der Verkehr machte ihn nervös, und dann die vielen Ausländer überall. Nicht, dass er jemals etwas gegen Türken gehabt hätte, aber es war eben doch eine andere Kultur. Verschleierte Frauen, schnauzbärtige Männer mit Perlenkettchen in den Händen und schwarzäugige Jugendliche, die lautstark ein komisches Kauderwelsch aus Deutsch und Türkisch sprachen.
    All das war Arndt fremd, und es machte ihm auch ein wenig Angst. Er hatte sich Westberlin gemütlicher vorgestellt, so wie im Fernsehen: Da gab es die »Drei Damen vom Grill« und »Praxis Bülowbogen«, da heiratete der sympathische Peter Weck eine Familie, ein eleganter Heinz Drache ermittelte im »Tatort« zwischen Grunewaldvillen, und Harald Juhnke spielte den »Mann für alle Fälle«.
    Die Gropiusstadt dagegen war kalt und windig. Riesige Häuser standen wie auf Stelzen über Parkhäusern und Tiefgaragen, dazwischen vierspurige, regennasse Straßen und Dönerbuden. Viel mehr gab es hier nicht.
    Und deshalb hatte er sich darauf eingelassen, heute tiefer in die Innenstadt hineinzufahren, über Gradestraße und Stadtautobahn an der Bahlsenfabrik vorbei, wo es stark nach Keksen und Schokolade roch, bevor er rechter Hand das Tempelhofer Flugfeld passierte, auf dem die großen Militärmaschinen der US -Air-Force die Motoren warmlaufen ließen. Danach, so hatten es ihm die Italiener beschrieben, solle er sich rechts halten und am Innsbrucker Platz den Stadtring verlassen.
    Arndt hielt sich rechts, verpasste die Ausfahrt aber trotzdem, weil ihm durch den heftigen Platzregen draußen dauernd die Scheiben beschlugen, obwohl die Lüftung voll aufgedreht war. Zudem drängte ihn irgend so ein Idiot im BMW von der Spur. Arndt hatte hupen wollen, doch die Tröte seines alten Dreielfer Wartburg kam gegen den Lärm auf der Autobahn nicht an.
    Und nun irrte er am Bundesplatz umher und wusste nicht mehr weiter. Parkplätze gab es auch nirgends, sodass er mal anhalten und jemanden nach dem Weg hätte fragen können. Schließlich fand er an der Bundesallee eine Tankstelle, ließ den Wagen ausrollen und betrat dann den Shop, um Rat einzuholen.
    Etwas unschlüssig stand er zwischen den Regalen voller Süßigkeiten, Straßenplänen, Motorölen und Austauschlampen für Autoscheinwerfer. An der Wand surrten Kühltruhen voller Getränkedosen. Seltsam war, dass es sogar Bier gab. Auch Sekt und Wein waren im Angebot. Und das an einer Tankstelle! Arndt schüttelte unmerklich den Kopf. Westberlin halt. Null Komma acht Blutpromille Alkohol am Steuer waren hier erlaubt, völlig verantwortungslos, wenn auch logisch in einem System, dass sich »Freie Marktwirtschaft« nannte. Da wurden an den Tankstellen nicht nur die Autos abgefüllt, sondern auch die Fahrer. Und wenn die dann besoffen Unfälle bauten, taten sie was für die Konjunktur. Dann verdienten Versicherer, Krankenhäuser, Werkstätten und Autohäuser, das Bruttosozialprodukt stieg. Es ging halt immer aufwärts, egal wer und wie viele dabei auf der Strecke blieben.
    Die lügen sich hier auch nur in die Tasche, dachte Jan Frido Arndt, das ist genauso wie bei uns. Nur dass die DDR als Erstes kaputtgegangen war. Und bevor auch noch der Westen den Bach runterging, wollte Arndt weg sein.
    »Entschuldigen Sie! Die Eisenacher Straße – wie komm ich da am besten hin?«
    »Hier vorn die Badensche Straße runter«, der Mann am Kassentresen gestikulierte, »bis zur Martin-Luther, dann links und an der Grunewaldstraße wieder rechts. Die Eisenacher läuft dann quer, da müssense sich entscheiden, ob Se lieber links lang wollen oder rechts«, er grinste, »janz wie in der Politik, capito?«
    »Mhm«, machte Arndt und dankte. Als er sich wieder zum Hinausgehen wandte, rief ihn der Kassierer noch mal zurück.
    »Vielleicht noch ‘n Raider für unterwegs?« Er wedelte mit einer braungelben Snacktüte. »Wir haben det Fünferpack im Anjebot für völlig unerhebliche zwoneunundneunzig.«
    »Nein, vielen Dank«, murmelte Arndt und stiefelte zurück zu seinem Auto. Er nahm den beschriebenen Weg, fuhr die Eisenacher links rein und geriet an
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