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Tokio Killer - 02 - Die Rache

Tokio Killer - 02 - Die Rache

Titel: Tokio Killer - 02 - Die Rache
Autoren: Barry Eisler
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Energiereserven in die Armmuskeln.
    Die erneute Kraftansammlung dauerte nur einen Augenblick. Plötzlich zitterten seine Arme heftiger. Ich spürte, wie sich die Stange tiefer in seine Brust drückte. Ein leichtes Zischen ertönte, als ihm die Atemluft durch Nase und Mund entwich. Ich spürte seine Augen auf meinem Gesicht, hielt aber meine Aufmerksamkeit auf seinen Oberkörper und die Hantelstange gerichtet. Noch immer gab er keinen Laut von sich.
    Sekunden verstrichen, dann weitere. Seine Position veränderte sich nicht. Ich wartete. Seine Haut färbte sich blau. Ich wartete weiter.
    Schließlich nahm ich den Druck von der Stange und ließ sie los.
    Seine Augen waren nach wie vor auf mich gerichtet, aber sie nahmen nichts mehr wahr. Ich trat zurück, hinaus aus ihrem blinden Gesichtsfeld, und betrachtete die Szene. Ein fanatischer Gewichtheber versucht allein und am späten Abend mehr zu stemmen, als er schafft, wird unter der Langhantel eingeklemmt und erstickt. Ein bizarrer Unfall.
    Ich zog mir meine Straßensachen an, nahm meine Tasche und ging zur Tür. Hinter mir knackte es einige Male laut, als würden trockene Äste brechen. Ich drehte mich ein letztes Mal um und begriff im selben Moment, dass das Geräusch von seinen einknickenden Rippen kam. Keine Frage, er war hinüber. Nur sein krampfartiger Griff um die Hantel blieb unverändert, als wollten die Finger noch immer nicht glauben, was sein Körper bereits akzeptiert hatte.
    Ich trat hinaus in den dunklen Flur und wartete, bis die Straße frei war. Dann schlich ich auf den Bürgersteig und tauchte ein in die Schatten um mich herum.
     

2
     
    I CH VERLIESS DAS V IERTEL über etliche Nebenstraßen in Roppongi und Akasaka, ging wo immer möglich durch enge Gassen, und zwar so, dass es für Uneingeweihte aussah wie normale Abkürzungen, obwohl ich einen eventuellen Verfolger oder ein Team von Verfolgern dadurch zwingen wollte, sich zu erkennen zu geben.
    Nach gut einer halben Stunde war ich sicher, dass mich niemand beschattete, und ich verlangsamte meine Schritte entsprechend meiner Stimmung. Ich bewegte mich schließlich in einem weiten Halbkreis in Richtung Aoyama Bochi, dem riesigen Friedhof, der sich wie ein grünes Band mitten in den schicken Vierteln im Westen der Stadt erstreckte.
    An der Nordseite der Roppongi-dori kam ich an einer kleinen Kolonie von Pappkartonhütten vorbei, in denen Obdachlose übernachteten, deren Leben in gewisser Weise so ungebunden und anonym war wie mein eigenes. Ich stellte die Sporttasche dort ab, wohl wissend, dass sie samt ihrem Inhalt – den Sportsachen und den Gewichtheberhandschuhen – rasch neue Besitzer finden würde. Binnen weniger Stunden würden die Spuren meines letzten Auftrags restlos getilgt sein, nur noch namenlose, farblose Sachen unter namenlosen, farblosen Seelen.
    Sobald ich die Last, die ich noch bei mir hatte, losgeworden war, setzte ich meinen Weg fort. Der Friedhof lag nun rechts von mir, aber auf der Straßenseite war kein Bürgersteig, deshalb hielt ich mich links, bis ich mich einer langgestreckten Steintreppe gegenüber sah, einem Verbindungsweg zwischen dem grünen Ort der Toten und der Stadt der Lebenden um ihn herum. Lange Zeit stand ich da und betrachtete die Stufen. Schließlich befand ich, wie schon so oft in letzter Zeit, dass der Impuls, dem ich fast nachgegeben hätte, lächerlich war. Ich drehte mich um und ging langsam die Straße hinunter, denselben Weg, den ich gekommen war.
    Immer nach Erledigung eines Auftrags empfand ich das Bedürfnis, unter Menschen zu sein, Trost in der Illusion zu finden, zu der Gesellschaft dazuzugehören, in der ich mich bewegte. Einige Meter weiter betrat ich das Monsoon-Restaurant, wo ich die südostasiatische und nepalesische Küche ebenso genießen konnte wie die wohltuende Geräuschkulisse der Unterhaltungen anderer Leute.
    Ich wählte einen Tisch, der nicht ganz vorn an der offenen Fensterseite des Restaurants stand, und bestellte ein einfaches Gericht aus Reisnudeln mit Gemüse. Obwohl es schon spät war, waren die meisten Tische besetzt.
    Es war fast surreal, in einem Restaurant oder einer Bar zu sitzen, nachdem ich einen Auftrag erledigt hatte. Ich ließ meinen Gedanken freien Lauf, während sich die Erleichterung in mir breit machte, jetzt, da der Adrenalinschub vorbei war.
    Ich hatte geglaubt, ich hätte mit alldem nichts mehr zu schaffen, nachdem ich Holtzer, den Leiter der Tokioter CIA-Dienststelle, aus dem Weg geräumt hatte. Damals war meine
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