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Tokio Killer - 02 - Die Rache

Tokio Killer - 02 - Die Rache

Titel: Tokio Killer - 02 - Die Rache
Autoren: Barry Eisler
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ausgelöscht haben, sich das gern einreden: Wenn er wirklich hätte weiterleben wollen, hätte ich ihn niemals erwischen können. Er hätte sich nicht die Schwäche erlaubt, die ihn das Leben gekostet hat.
    Die Schwäche des Yakuza war seine Leidenschaft fürs Gewichtheben. Diese Obsession war natürlich alles andere als gesund. Sein Steroidmissbrauch war geradezu unübersehbar. Der Hals war so dick, dass es aussah, als könnte er sich eine Krawatte über den Kopf ziehen, ohne den Knoten zu lockern.
    Außerdem hatte ich schon erlebt, dass er unvermittelt und ohne jeden Grund gewalttätig werden konnte. Eines Abends beobachtete ich, wie jemand, den ich vorher noch nie gesehen hatte – zweifellos einer von den Normalbürgern, denen die Lage des Clubs zusagte und die meinten, sie würden durch die Tuchfühlung mit angeblichen Gangstern selbst zu härteren Kerlen werden –, sich daran machte, einige der zahlreichen Eisenscheiben zu entfernen, die der Yakuza an seiner Drückbank aufgelegt hatte. Der Yakuza hatte das Gerät verlassen, um eine Pause zu machen, und der Neue hatte fälschlicherweise angenommen, er sei fertig.
    Wahrscheinlich hätte ihn jemand warnen sollen. Aber in dem Sportstudio verkehrten überwiegend Chinpira – unbedeutende, junge Yakuza und kleine Ganoven –, nicht gerade Typen von der Sorte, die zu Hilfe eilten, wenn ein anderer in Not war. Jemand gab dem Yakuza einen Stoß mit dem Ellbogen und deutete auf die Drückbank. Der Yakuza, der in die Hocke gegangen war, sprang auf und brüllte so laut «Orya!», dass die Glasscheibe an der Vorderseite des rechteckigen Raumes vibrierte. Was soll das?
    Alle blickten erschreckt auf, als habe es eine Explosion gegeben – sogar der Neue, der eben noch völlig ahnungslos gewesen war. Laut schimpfend und fluchend schritt der Yakuza direkt auf die Drückbank zu. Aber der Mann war vor Angst oder Fassungslosigkeit wie erstarrt und wich nicht aus der Angriffslinie. Und obwohl er in der Hand eine Zehn-Kilo-Scheibe hatte, deren Ränder um einiges härter waren als der Schädel des Yakuza, tat der Mann nichts anderes, als den Mund aufzuklappen, vielleicht vor Überraschung, vielleicht, um zu einer Entschuldigung anzusetzen, die ohnehin fruchtlos gewesen wäre.
    Der Yakuza rannte wie ein Nashorn in ihn hinein. Er rammte ihm die Schulter in den Bauch, katapultierte ihn rückwärts gegen die Wand und ließ dann einen Hagel brutaler Schläge auf Kopf und Hals seines Widersachers niederprasseln. Der sichtlich geschockte Mann ließ die Eisenscheibe fallen und hob die Arme, um ein paar von den Schlägen abzuwehren, doch der noch immer brüllende Yakuza schlug die Arme beiseite und prügelte weiter auf ihn ein. Ich sah, wie einer der Schläge links am Hals traf, oberhalb der Schlagader, und der Mann ging in die Knie. Der Yakuza stand breitbeinig da und hämmerte weiter auf Kopf und Hals seines Opfers ein. Der Mann sackte zu Boden, war aber noch immer genug bei Bewusstsein, um sich zusammenzurollen und sich einigermaßen vor den gleich darauf einsetzenden Tritten zu schützen.
    Schnaufend und fluchend bückte sich der Yakuza und schob den rechten Knöchel des am Boden liegenden Mannes zwischen seinen gewaltigen Bizeps und den Unterarm. Ich dachte schon, er wollte einen Jiu-Jitsu-Beinhebel ansetzen und ihm irgendetwas brechen. Doch stattdessen richtete er sich auf und zog den Mann der Länge nach hinaus auf die Straße.
    Gleich darauf kam er allein zurück. Nachdem er einen Moment verschnauft hatte, nahm er seinen rechtmäßigen Platz an der Drückbank wieder ein, ohne irgendjemanden im Raum eines Blickes zu würdigen. Alle machten mit dem weiter, was sie unterbrochen hatten: seine Begleiter, weil das Ganze sie ohnehin kalt ließ; die Normalbürger, weil ihre Nerven blank lagen. Es war, als sei nichts geschehen, obwohl die Stille im Studio diesen Eindruck Lügen strafte. Ich nutzte die Gelegenheit, schlenderte zur Drückbank hinüber und fragte, ob ich ihm Hilfestellung geben könne.
    «Warui na», bedankte er sich, sichtlich froh über meine nette Geste.
    «Iya», erwiderte ich. Nicht der Rede wert. Ich stellte mich hinter ihn und half ihm, die Langhantel in die Luft zu heben. Ich registrierte, dass er hundertfünfzig Kilo aufgelegt hatte. Er schaffte zwei Wiederholungen, bei der zweiten half ich ein bisschen mit. Nach der Auseinandersetzung von vorhin musste er noch vollgepumpt mit Adrenalin sein, und ich merkte mir, wo bei dieser Übung die Grenzen seiner Kraft lagen.
    Ich
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