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Tokio Killer - 02 - Die Rache

Tokio Killer - 02 - Die Rache

Titel: Tokio Killer - 02 - Die Rache
Autoren: Barry Eisler
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Tarnung aufgeflogen, und es wurde Zeit, mich neu zu erfinden – wie schon so oft. Ich hatte überlegt, in die Staaten zu gehen, vielleicht an die Westküste, San Francisco, irgendeine Stadt, wo viele Asiaten lebten. Aber es wäre schwierig gewesen, in den USA eine neue Identität aufzubauen, ohne das Fundament, das ich seit langem in Japan gelegt hatte. Und falls die CIA wegen Holtzer auf Vergeltung aus war, hätte sie es auf heimatlicher Erde erheblich leichter. Wenn ich in Japan blieb, hatte ich natürlich Tatsu am Hals, aber Tatsus Interesse an mir hatte nichts mit Rache zu tun, weshalb ich ihn als das geringere Risiko einstufte.
    Bei dem Gedanken musste ich lächeln. Inzwischen wusste ich, dass die Gefahr, die Tatsu für mich darstellte, zwar weniger akut war als die einfache Möglichkeit, von einem CIA-Auftragskiller erledigt zu werden, aber sie war erheblich heimtückischer.
    Er hatte mich in Osaka ausfindig gemacht, der zweitgrößten Metropole Japans, wo ich nach meinem Verschwinden aus Tokio untergetaucht war. Ich war in ein Hochhausviertel namens Belfa in Miyakojima gezogen, im Nordwesten der Stadt. In Belfa wohnten zahlreiche Geschäftsleute, die von ihren Arbeitgebern aus anderen Städten nach Osaka versetzt worden waren, sodass ein neuer Nachbar nicht sonderlich auffiel. Außerdem gab es dort viele Familien mit kleinen Kindern, Leute, die ein wachsames Auge auf ihre unmittelbare Umgebung hatten, was eine effektive Überwachung oder einen erfolgreichen Hinterhalt schwierig machte.
    Ich sichtete Tatsu eines Abends hinter mir, als ich auf dem Weg zum Overseas war, einem Jazzclub in Honmachi, in den ich gerne ging. Ich ließ mir zwar nichts anmerken, aber ich hatte ihn auf Anhieb erkannt. Tatsu war untersetzt, und er wiegte beim Gehen die Schultern hin und her, sodass er kaum zu übersehen war. Einen anderen Beschatter hätte ich überrumpelt und ausgefragt, wenn möglich. Wenn nicht, eliminiert.
    Aber da Tatsu selbst mein Verfolger war, wusste ich, dass keine unmittelbare Gefahr für mich bestand. Als Leiter einer Abteilung bei der Keisatsucho, dem japanischen FBI, hätte er mich längst ohne weiteres einkassieren können, wenn er das wirklich gewollt hätte. Was soll’s, hatte ich mir gesagt. Akiko Grace, eine junge Pianistin, die mit ihrer ersten CD From New York die japanische Jazz-Welt begeistert hatte, trat an jenem Abend auf, und ich wollte sie unbedingt spielen sehen. Wenn Tatsu Lust hatte, mich zu begleiten, sollte er ruhig.
    Er kam während des zweiten Sets herein, als Grace gerade «That Morning» spielte, ein melancholisches Stück von Manhattan Story, ihrer zweiten CD. Ich sah, wie er am Eingang stehen blieb und den Blick über die Tische im hinteren Teil des Raumes schweifen ließ. Ich hätte ihm fast gewunken, aber er wusste schon, wo er suchen musste.
    Er kam zu mir an den Tisch und schob sich neben mich, als wäre es das Normalste von der Welt, mich hier zu treffen. Wie immer trug er einen dunklen Anzug, der aussah, als hätte sein Träger tausend andere Dinge im Kopf gehabt, als er ihn am Morgen anzog. Tatsu nickte zur Begrüßung. Ich erwiderte die Geste und wandte mich dann wieder Grace am Klavier zu.
    Sie saß von uns abgewandt, in einem schulterfreien Kleid mit Goldpailletten, das im kühlen blauen Licht der Spotlights schimmerte wie fernes Wetterleuchten in der Nacht. Ich musste an Midori denken, und zwar sowohl wegen ihrer Gegensätzlichkeit als auch wegen der Ähnlichkeiten. Grace ging mehr mit der Musik mit, und ihr Stil war insgesamt sanfter, nachdenklicher. Aber wenn sie richtig in Fahrt kam, bei Stücken wie «Pulse Fiction» und «Delancey Street Blues», wirkte sie genauso besessen von dem Instrument, als wäre das Klavier ein Dämon und sie seine aufgekratzte Gehilfin.
    Ich erinnerte mich, wie ich Midori beim Spielen zugeschaut hatte, im Village Vanguard in New York, wie ich dort im Dunkeln gesessen und gewusst hatte, dass es das letzte Mal sein würde. Seitdem habe ich etliche Auftritte anderer Pianistinnen gesehen. Es ist immer ein trauriges Vergnügen, als würde man mit einer schönen Frau schlafen, aber nicht mit derjenigen, die man liebt.
    Das Set war zu Ende, und Grace und ihr Trio verließen die Bühne. Doch das Publikum klatschte so lange, bis sie noch einmal zurückkamen und als Zugabe «Bemsha Swing» von Thelonious Monk spielten. Tatsu war vermutlich verärgert. Er war nicht gekommen, um sich Musik anzuhören.
    Nach der Zugabe ging Grace an die Bar. Leute standen
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