Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopf frei

Kopf frei

Titel: Kopf frei
Autoren: Ute Lauterbach
Vom Netzwerk:
Sich freireden
    Der Mensch ist das, was er den ganzen Tag denkt.
    Ralph Waldo Emerson
    1. Auftritt Hugo
    Seine vorvorletzte Geliebte, seine vorletzte, seine letzte ebenso, sie alle befanden, dass Hugo zwar nett sei, viele gute Eigenschaften habe – nur reden, das ginge überhaupt nicht mit ihm. Es hat ihn stutzig gemacht, dass seine drei Verflossenen ihn alle aus demselben Grund verlassen haben. Man könne nicht mit ihm reden! Dabei redet er gerne und viel. Ihm fällt immer etwas ein. Kein Thema, bei dem er nicht mitreden könnte. Komisch. Da stimmt doch irgendetwas nicht. Soll er in Therapie gehen? Meditieren? Was ist los mit seinem Sprechen? Oder gar mit seinem Denken?? Schlimmer kann es eigentlich nicht werden. Hugo will diese neue Art zu kommunizieren lernen. Unbedingt. Er hat eine Auszeit genommen und sitzt jetzt Lotti gegenüber. Sie ist seine Trainerin. Sie ist irgendwie komisch. Sie sei die erste Matriarchin der westlichen Zen-Dynastie. Dabei ist sie ganz locker und lustig. Hugo muss aufpassen, dass er sich nicht in sie verliebt. Gerade erläutert sie ihm, worum es in diesem Training geht:
    »Es wird eine Weile dauern, bis du die Praxis beherrschst. Das Training umfasst 14 Schritte, wobei sich jeder Schritt aus folgenden Phasen zusammensetzt: In der ersten Phase geht es darum, Kommunikationsabläufe bei anderen zu beobachten. In der zweiten Phase beobachtest du dein eigenes Sprechen und Denken und übst parallel jeweils einen Schritt ein.« »Oh, das klingt anstrengend. Ich habe keine Lust zu üben und an mir zu arbeiten.«
    Lotti reagiert mit einer ihrer irritierenden Bemerkungen: »Wenn du willst, kannst du dich anstrengen oder es einfach tun.«

    Hugo denkt, dass das Theater in seinen Beziehungen wahrscheinlich anstrengender ist als jedes Programm mit Lotti. So bleibt er guter Dinge.
    Ermunternd fügt Lotti hinzu: »Es geht übrigens um viel mehr als das Einüben anderer Sprechgewohnheiten.« »Aha! Worum geht’s denn im Kern?« »Es geht darum, durch ein anderes Sprechverhalten den Geist in selbstbestimmte Bahnen zu lenken, anstatt von Denkgewohnheiten und neuronalen Fixspuren fremdbestimmt zu werden. Das heißt, im Kern geht es darum, sich vollständig zu befreien.«
    In Lottis Dynastie herrscht Ordnung. Hugo unterhält sich mit Lotti über seinen Stand und Werdegang immer nach der Präsentation und den ersten Erfahrungen mit den einzelnen Übungsschritten. In Lottis Einführung geht es darum, dass Gegenwart volles Leben ist. Sie führt aus:
    »Wo dein Verstand ist, da ist deine Energie. Das bedeutet, wenn du im Gespräch egozentrisch um dich selbst kreist, kann kein wirklicher Austausch stattfinden. Wenn du in der Zukunft oder Vergangenheit hirnst, bist du mit deiner Energie nicht in der einzigen Zeit, die du unmittelbar zur Verfügung hast: nämlich der Gegenwart. Zwar ist es nützlich, Erfahrungen der Vergangenheit konstruktiv für Gegenwart und Zukunft auszuschlachten – allein ein unerquickliches Verweilen in der Vergangenheit ist abträglich. Du verpasst die Gegenwart auch, wenn du dich in Problemen drehst. Iss ein leckeres Stück Torte und denk dabei intensiv an die verletzende Bemerkung des Nachbarn ... Du wirst die Torte nicht genießen können, weil sich dein Geist von dem, was jetzt gerade ist – nämlich Torte – verabschiedet hat.«
    Lotti hält inne. Hugo ahnt, was seine Geliebten vertrieben haben könnte. Aber er ist sich keiner Schuld bewusst. Denn seine Gedanken und damit seine Worte stellen sich immer ganz automatisch ein. Einerlei, ob es um den Urlaub in Schweden, Krampfadern oder Saugdruckpumpen geht.

    Sprechen und Denken
    Lotti bestätigt den Zusammenhang zwischen Sprechen und geistiger Aktivität. Sie fragt Hugo, ob er denn wirklich auf jeden Anreiz hin über Schweden, Krampfadern oder Saugdruckpumpen sprechen wolle. Hugo: »Ja, mein Urlaub in Schweden war total verregnet. Ich musste mir eine Regenjacke …« »Stopp!«, sagt Lotti. »Das ist keine Antwort auf meine Frage, sondern vermutlich Text, der deine Geliebten in die Flucht geschlagen hat.«
    Huch! Hugo fühlt sich ertappt. Er hat sogar die Frage vergessen. Lotti wiederholt die Frage und erklärt Hugo, dass er gerade nur noch um sich und seine Schweden-Assoziationen kreist. Sie als Gesprächspartnerin sei außen vor. Schon wieder hat sie ihn ertappt. Eigentlich will Hugo gar nicht so automatisch sprechen. Aber die Gedanken kommen einfach. Lotti bestätigt: »Stimmt, unser Gehirn ist so strukturiert. Die Frage ist nur,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher