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Lesereise Nordfriesische Inseln

Lesereise Nordfriesische Inseln

Titel: Lesereise Nordfriesische Inseln
Autoren: Kristine von Soden
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NF
Amtliches Kennzeichen und Lebensgefühl
    Nein, nein, das sind die Ostfriesen, die Sie meinen! Über die die Witze gemacht werden, mit denen sich Otto eine goldene Nase verdient. Mit den Nordfriesen hat das nichts zu tun. Und die Westfriesen sind wieder ein anderes Ressort. Wehe, man bringt das alles durcheinander. Muss man schon aufpassen. Sonst kriegen die einen bi de Büx . Noch schlimmer: Sie verstehen nur Bahnhof, weil Ihr Gegenüber auf Friesisch schimpft. Doch das kommt selten bis gar nicht vor. Schließlich ist man aufeinander angewiesen. Die Gäste auf nette Vermieter. Und die Vermieter auf nettes »Pensionsvieh«. Nein, so werden nicht Sie genannt! Sondern die Kühe und Rinder vom Festland, die im Frühling mit der Fähre zum Beispiel auf die Hallig Langeneß verfrachtet und zum Winter gut durchgepustet von ihren Besitzern wieder abgeholt werden.
    Friesisch sprechen die Friesen normalerweise nur unter sich. Geht auch schlecht anders. Ist doch das Nordfriesische, das zum Nordseegermanischen zählt, ein Oberbegriff für mehrere Hauptdialekte, die untereinander völlig verschieden sind: Sölring spricht man auf Sylt, Öömrang auf Amrum, Fering auf Föhr, Halifresk auf den Halligen und Halunder oder Halunner auf Helgoland. Weitere friesische Dialekte kommen »auf dem Kontinent« zwischen Husum und Dänemark hinzu, daneben läuft noch Dänisch, das plattdänische Südjütisch (Sønderjysk), Plattdeutsch und natürlich Hochdeutsch im Alltagsbetrieb.
    Denkt man gar nicht, oder?
    Seit 1970 ist Nordfriesland ein eigener Kreis. NF das amtliche Kennzeichen. Am Mercedes, Opel oder Trecker auf den Inseldörfern stinknormal. In Hamburg noch bis in die Anfänge der Generation Golf total abgefahren, sofern jene magischen zwei Buchstaben auf dem Nummernschild eines Cabrios mit Aufreißercharme am Lenkrad nach Jagdfieber rochen: Hey, Baby, Bock auf Beachparty-Spritztour zu meinem Zweitwohnsitz auf Sylt? Natürlich rauschten auch dezente NF -Karossen über Jungfernstieg und Elbchaussee, wie es sich für hanseatisches Understatement ziemt. Werbung machten sie alle. Gewollt oder nicht. Für NF = Sylt = Geld spielt keine Rolex = Schöne und Mondäne, Groupies und Golden Girls. An die inselfriesischen Schwestern Amrum und Föhr dachte kein Mensch, wenn NF mit Lichthupe triebgesteuert auf der Überholspur nervte oder an der Ampel bei Umschalten auf Grün mit quietschenden Reifen Vollgas gab. Doch längst bekam Sylt jede Menge Konkurrenz. Besonders von den Stränden an der schönen alten Ostsee zwischen Warnemünde, Rügen und Usedom. Viele Hamburger tauschten Sylt, Markenzeichen »die Insel«, gegen teuer sanierte Küstenträume in Mecklenburg-Vorpommern, wenngleich es keineswegs leichtfiel, statt mit NF am Auto nun mit NVP = Nord-Vorpommern oder womöglich gar OVP = Ostvorpommern (in eingeweihten Kreisen = Ost-Vorpolen) durch die Gegend zu fahren. Ziemlich unsexy.
    Die echten Sylter (soweit auf der Insel noch vorhanden), die echten Amrumer und Föhrer beobachteten den touristischen Wandel gelassen und waren sich im Verein mit ihren treuen Gästen gewiss, dass das Nordfriesische immer einmalig und unschlagbar bleiben wird.
    Damit hatten sie recht.
    Puderfeiner Sand, der noch monatelang aus Taschen und Nähten rieselt, Köm und Krabbenkutter, Seehundsbänke und Seenotkreuzer, kernige Sprüche, die durch Krisen helfen, Typen, die nichts aus der Fassung bringt, Brandungsbaden statt Brustschwimmen und last but not least Biike-Brennen mit Grünkohl und Schweinebacke satt – dem nordfriesischen »Nationalfest« am Vorabend des Petritages zur Vertreibung böser Geister: Das und noch mehr verbinden die meisten heute mit NF , Nordfriesland. Eher nebenbei wird wahrgenommen, dass die Straßen Lung Wai, Smääljaat, Bräätlun oder Uasterstigh heißen, Hotels, Pensionen, Restaurants »Rooad Weeter«, »Hüs Senskiin«, »Ekke Nekkepen« und die Friesenkinder Gönke, Ketel, Ipsen, Kreske, Nahmten, Moiken, Miele, Gesche, Wögen, Brar. Welches davon sind Mädchennamen? Eine Frage für Sylt-Fan Günther Jauch.
    Über die Friesen, lateinisch Frisii, Frisiones, ihre Herkunft aus der Nordseeregion zwischen Zuidersee, heute Ijsselmeer, und Weser sowie ihre Besiedlung von Sylt, Amrum und Föhr, einschließlich der Marschen an der schleswig-holsteinischen Westküste, ab etwa 800, wurden Berge von Büchern geschrieben. Stürzen Sie sich bloß nicht leichtsinnig in diese Lektüre! Schon gar nicht einfach mal so, zwecks touristischer Vorabinfo. Die
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