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Tödlich ist die Nacht

Tödlich ist die Nacht

Titel: Tödlich ist die Nacht
Autoren: T Hoag
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kriegst du ja auch so viel Geld, mein Junge.«
    »Ja, klar, ich wälze mich drin«, sagte Jace und widerstand dem Drang, sich zu schütteln wie ein nasser Hund. »Das hier mache ich nur, weil's so spannend ist.«
    »Dein Leben ist einfach«, meinte der Anwalt, während er zurück in sein Büro ging. »Das hat wirklich einiges für sich.«
    »Ja, zum Beispiel, dass es beschissen ist. Glauben Sie mir, Lenny, ich würde lieber in Ihrem neuen Cadillac rumfahren als auf meinem Fahrrad. Vor allem heute Abend. Mann, ich hasse diesen Regen.«
    Lowell wedelte ihm mit seiner großen knochigen Hand vor der Nase herum. »Ach was, Regen ist gut für die Haare. Es sei denn, du bist so ein armes Schwein wie Rob Cole. Dem steht das Wasser schon bis zum Hals.«
    Jace sah sich in dem Büro um, in dem sich Bücher und Papiere und Aktenordner stapelten. Auf dem Schreibtisch standen neben einem Bowlingpokal von 1974 zwei gerahmte Fotografien – die eine zeigte ein Rennpferd mit einem Siegerkranz um den Hals, die andere eine hübsche junge Frau mit langen, dunklen Haaren und einem zuversichtlichen Lächeln, Lennys Tochter Abby. Jurastudentin, wie Lenny ihm erzählt hatte.
    »Gorman wird ihn raushauen«, sagte Jace und nahm den Bowlingpokal in die Hand, um die Inschrift zu lesen: 2. MANNSCHAFTSPLATZ, HOLLYWOOD BOWL, 1974. Es war nicht schwer, sich Lenny in einem dieser Bowlinghemden aus den Fünfzigern vorzustellen, die Haare mit viel Pomade nach hinten gekämmt. »Gorman ist gut. Er ist besser als gut.«
    »Gut zu sein ist gut, Glück zu haben ist besser, mein Junge«, gab Lowell zurück. »Martin tritt in einem abgekarteten Spiel an. Geld ist Macht. Daran musst du immer denken.«
    »Würde ich, wenn ich welches hätte.« Jace stellte den Pokal zurück und kratzte sich unter seiner billigen Regenjacke aus Plastik am Arm. Er hatte im Neunundneunzigcentladen gleich ein halbes Dutzend davon gekauft, weil sie sich auf die Größe einer Geldbörse zusammenfalten ließen und in seiner Tasche nicht viel Platz beanspruchten. So eine Jacke hielt selten mehr als einen Regenguss aus, aber die Chancen standen gut, dass sechs davon über den Winter reichen würden.
    »Hier«, sagte Lowell und drückte ihm einen Zwanzigdollar-schein in die Hand. »Für deine Mühe, Junge. Aber hau nicht gleich alles auf einmal auf den Kopf.«
    Jace machte Anstalten, den Schein gegen das Licht zu halten.
    Lowell ließ ein Schnauben hören. »Der ist echt. Mein Gott. Der letzte Geldfälscher, den ich verteidigt habe, ist 1987 nach San Quentin gewandert. Das Geschäft ist jetzt fest in der Hand der Russen. Damit will ich nichts zu tun haben. Im Vergleich zu diesen Scheißkerlen wirkt Hannibal Lecter wie eine trübe Tasse mit Essstörung.« Er hob sein Glas. »Auf ein langes Leben. Meins. Wie wär's mit einem kleinen Schluck, mein Junge?«
    »Nein danke, ich trinke nicht.«
    »Fahrer mit Verantwortung, hm?«
    »So was in der Art.«
    Erwachsener mit Verantwortung, so lange er denken konnte, aber das erzählte er Leonard Lowell nicht. Er erzählte nie jemandem etwas über sein Leben. Keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Je weniger die Leute wussten, desto weniger interessierten sie sich für ihn und desto weniger waren sie darauf versessen, ihm zu »helfen«. Zwanzig Dollar extra waren die einzige Art von Hilfe, die Jace brauchte.
    »Danke, Lenny, das ist wirklich nett von Ihnen.«
    »Schon gut, Junge. Sag deiner Mutter, sie hat einen anständigen Jungen großgezogen.«
    »Tu ich.«
    Würde er nicht tun. Seine Mutter war vor sechs Jahren gestorben. Er hatte sich zum größten Teil selbst großgezogen und Tyler auch.
    Lowell überreichte ihm einen zwölf mal siebzehn Zentimeter großen gepolsterten Umschlag. Er klemmte sich eine Zigarette zwischen die Lippen, die auf und ab wippte, während er weitersprach und gleichzeitig in den Taschen seiner weiten Hose nach einem Feuerzeug suchte. »Es ist nett von dir, dass du das noch für mich erledigst, Junge. Hast du die Adresse?«
    Jace wiederholte sie aus dem Gedächtnis.
    »Achte darauf, dass es trocken bleibt«, sagte Lowell und blies den Rauch an die vergilbte Decke.
    »Als hinge mein Leben davon ab.«

3
    Berühmte letzte Worte , dachte Jace später jedes Mal, wenn er sich an diesen Abend erinnerte. Doch als er jetzt in den Regen hinaustrat und das Bügelschloss an seinem Fahrrad aufschloss, dachte er nichts.
    Statt den Umschlag in seine Tasche zu stecken, schob er ihn unter sein T-Shirt und stopfte ihn zusammen mit dem Stoff
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