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Todesreigen

Titel: Todesreigen
Autoren: Jeffery Deaver
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hatte.
    »Lange Unterwäsche«, lachte sie. »Der Winter soll kalt werden.«
    Sie redeten noch eine Weile, tranken zusammen eine Flasche Wein, dann jeweils noch ein Glas, obwohl sie den Eindruck nicht loswurde, sie tränke mehr als er.
    Sie wurde langsam beschwipst. Vorsicht jetzt, Mädchen, behalt einen klaren Kopf.
    Dann aber dachte sie an Jonathan und leerte ihr Glas in einem Zug.
    Gegen zehn schaute er sich in dem leerer werdenden Restaurant um. Er fixierte sie mit seinem Blick und sagte: »Wie wäre es, wenn wir nach draußen gingen?«
    Marissa zögerte. Okay, jetzt kommt’s, dachte sie. Du kannst dich verabschieden, oder du kannst mit ihm nach draußen gehen.
    Sie erinnerte sich an ihre Vorsätze, sie erinnerte sich an Jonathan.
    Sie sagte: »Ja, gehen wir.«
    Draußen schlenderten sie Seite an Seite zurück zu dem verlassenen Park, in dem sie vor ein paar Stunden gesessen hatte.
    Sie kamen an der Bank von vorhin an. Sie nickte, und beide nahmen Platz, Dale dicht neben ihr. Sie spürte seine Gegenwart – die Nähe eines starken Mannes, die sie schon eine Weile nicht mehr gespürt hatte. Es war erregend, gleichzeitig beruhigend und beunruhigend.
    Sie schauten zu dem Boot hinüber, der
Maine Street
, die durch die Bäume hindurch gerade noch zu erkennen war.
    Einige Minuten saßen sie schweigend da, in der Kälte zusammengekauert.
    Dale streckte sich. Sein Arm wanderte zur Rückseite der Bank, nicht direkt um ihre Schultern, aber sie spürte seine Muskeln.
    Wie stark er doch war, dachte sie.
    In diesem Augenblick sah sie nach unten und bemerkte das verdrehte Ende eines weißen Stricks, der aus seiner Tasche hervorschaute und beinahe herausfiel.
    Sie deutete mit dem Kopf darauf. »Sie verlieren gleich etwas.«
    Er blickte hinab. Griff nach dem Strick, ließ ihn durch seine Finger gleiten. Zog ihn auseinander. »Arbeitsmaterial«, erklärte er und betrachtete ihr zweifelndes Stirnrunzeln.
    Dann steckte er ihn wieder in die Tasche zurück.
    Dale wandte seinen Blick erneut der
Maine Street
zu, die durch die Bäume gerade noch zu sehen war. Beobachtete das Paar, das inzwischen den Schlafraum verlassen hatte und auf dem Achterdeck wieder Champagner trank.
    »Das ist er dort drüben, der gut aussehende Typ?«, fragte er.
    »Ja«, bestätigte Marissa. »Das ist mein Mann. Das ist Jonathan.« Sie zitterte abermals vor Kälte – und vor Abscheu –, als sie beobachtete, wie er die zierliche Blondine küsste.
    Sie wollte Dale gerade fragen, ob er es heute tun würde – ihren Mann umbringen. Dann aber kam ihr der Gedanke, dass er, wahrscheinlich wie die meisten professionellen Mörder, sich wohl lieber in Euphemismen ausdrückte. Sie fragte einfach: »Wann wird es passieren?«
    Langsam entfernten sie sich vom Kai; er hatte gesehen, was er sehen musste.
    »Wann?«, fragte Dale. »Das kommt darauf an. Diese Frau bei ihm auf dem Boot, wer ist sie?«
    »Eine seiner kleinen Krankenschwester-Schlampen. Ich weiß es nicht. Karen vielleicht.«
    »Bleibt sie über Nacht?«
    »Nein. Ich habe ihm einen Monat lang nachspioniert. Gegen Mitternacht wird er sie hinauswerfen. Klammernde Geliebte kann er nicht ausstehen. Morgen wird die Nächste dort sein. Aber nicht vor Mittag.«
    Dale nickte. »Dann mache ich es heute Nacht. Wenn sie gegangen ist.«
    Er betrachtete Marissa. »Ich werde so vorgehen, wie ich es Ihnen erklärt habe. Wenn er schläft, gehe ich an Bord, fessle ihn und bringe das Boot ein paar Meilen nach draußen. Dann lasse ich es so aussehen, als hätte er sich im Ankertau verfangen und wäre über Bord gegangen. Meinen Sie, er hat viel getrunken?«
    »Gibt’s im Ozean Wasser?«, fragte sie ironisch.
    »Gut, das wird die Sache erleichtern. Nachher steuere ich das Boot in die Nähe von Huntington und benutze eine aufblasbare Rettungsinsel für den Rückweg. Ich lasse sie einfach treiben.« Er nickte in Richtung der
Maine Street
.
    »Lassen Sie es jedes Mal nach einem Unfall aussehen?«, fragte Marissa und war neugierig, ob eine solche Frage irgendwelche Killer-Spielregeln verletzte.
    »Sooft ich kann. Habe ich diesen Job erwähnt, den ich heute Abend erledigt habe? Ich musste mich um eine Frau in Yarmouth kümmern. Sie hatte ihre eigenen Kinder misshandelt. Geprügelt, meine ich. ›Landplagen‹ hat sie sie genannt. Ekelhaft. Sie hörte einfach nicht auf, und der Ehemann konnte die Kinder nicht dazu überreden, zur Polizei zu gehen. Sie wollten ihre Mutter nicht in Schwierigkeiten bringen.«
    »Gott, wie
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