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Todesreigen

Titel: Todesreigen
Autoren: Jeffery Deaver
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Straßenrand, um das Schluchzen in den Griff zu bekommen.
    »Nein, nein, nein…«
    Gewaltsam verdrängte sie das Bild ihres Mannes aus ihrer Vorstellung.
    Das kalte Wasser, das graue Wasser…
    Fünf Minuten später hatte sie sich beruhigt. Ihre Augen getrocknet, Make-up und Lippenstift erneuert.
    Sie fuhr ins Zentrum von Green Harbor und hielt auf einem Parkplatz in der Nähe der Geschäfte und Restaurants, einen halben Block vom Kai entfernt.
    Ein Blick auf die Uhr. Es war gerade halb sieben. Dale O’Bannion hatte erklärt, er müsse bis gegen sieben Uhr arbeiten und würde sie dann um halb acht treffen.
    Sie war früher in die Stadt gekommen, um noch Einkäufe zu erledigen – eine kleine Shopping-Therapie. Danach würde sie das Restaurant aufsuchen und auf Dale O’Bannion warten. Plötzlich überkamen sie Zweifel, ob es angemessen war, sich allein an die Bar zu setzen und ein Glas Wein zu trinken.
    Schließlich wies sie sich energisch zurecht: Was, zum Teufel, denkst du eigentlich?
Natürlich
ist es in Ordnung. Sie konnte tun, was sie wollte. Es war
ihre
Nacht.
    Los, Mädchen, raus mit dir. Fang dein neues Leben an!
    Im Gegensatz zum gehobeneren Green Harbor ist das fünfundzwanzig Kilometer südlich gelegene Yarmouth in Maine vor allem eine Fischerei- und Verpackungsstadt. Als solche besteht sie überwiegend aus Hütten und Bungalows, deren Bewohner Fahrzeuge wie F-150er und japanische Halbtonner bevorzugen. Natürlich auch SUVs.
    Direkt außerhalb der Stadt allerdings findet sich eine Gruppe hübscher Häuser auf einem bewaldeten Hügel, von dem aus man die Bucht überblickt. Bei den Autos in
diesen
Einfahrten handelt es sich bevorzugt um Lexus- und Acura-Modelle. Die SUVs hier sind mit Ledersitzen und Navigationssystemen ausgestattet, nicht mit primitiven Aufklebern und Jesus-Fischen wie ihre Nachbarn im Stadtzentrum.
    Dieses Viertel hat sogar einen Namen: Cedar Estates.
    In einem hellbraunen Overall schritt Joseph Bingham die Auffahrt zu einem der Häuser hinauf, wobei er auf die Uhr schaute. Er hatte die Adresse zweimal überprüft, um ganz sicherzugehen, dass er das richtige Haus gefunden hatte. Dann drückte er auf die Klingel. Kurz darauf öffnete eine hübsche Frau Ende dreißig die Tür. Sie war dünn, hatte leicht krause Haare, und sogar durch die Fliegengittertür hindurch roch sie nach Alkohol. Sie trug hautenge Jeans und einen weißen Pullover.
    »Ja?«
    »Ich komme von der Kabelgesellschaft.« Er zeigte ihr den Ausweis. »Ich muss Ihre Konverterboxen umstellen.«
    Sie blinzelte. »Der Fernseher?«
    »Ganz genau.«
    »Gestern hat er noch funktioniert.« Sie drehte sich um und warf einen unsteten Blick auf das glänzende graue Rechteck des großen Apparates in ihrem Wohnzimmer. »Warten Sie, ich habe eben noch CNN gesehen. Es hat funktioniert.«
    »Sie bekommen nur die Hälfte der Kanäle, die Sie eigentlich empfangen sollten. Das gilt für dieses ganze Viertel. Wir müssen es per Hand neu einstellen. Ich kann natürlich einen neuen Termin machen, wenn…«
    »Nee, ist schon in Ordnung. Will
COPS
nicht verpassen. Kommen Sie rein.«
    Joseph trat ein und spürte ihre Blicke auf sich. So etwas passierte ihm häufiger. Seine Karriere verlief nicht unbedingt großartig, und er sah auch nicht im klassischen Sinn gut aus. Doch er war in exzellenter körperlicher Verfassung – schließlich trainierte er jeden Tag – und hatte schon oft gehört, dass er eine besondere maskuline Energie »ausschwitze«. Dazu konnte er nichts sagen. Er betrachtete sich am liebsten einfach als jemanden mit einer Menge Selbstvertrauen.
    »Wollen Sie einen Drink?«, fragte sie.
    »Geht nicht bei der Arbeit.«
    »Sicher?«
    »Ja.«
    In Wirklichkeit hätte Joseph nichts gegen einen Drink einzuwenden gehabt. Aber dies war nicht der Ort dafür. Davon abgesehen freute er sich auf ein hübsches Glas würzigen Pinot Noir, wenn er hier fertig wäre. Viele Leute waren überrascht, dass jemand mit seinem Beruf Wein mochte – und etwas davon verstand.
    »Ich heiße Barbara.«
    »Hi, Barbara.«
    Sie führte ihn ins Haus zu den Kabelboxen und nippte beim Gehen an ihrem Drink. Es sah so aus, als tränke sie unverdünnten Bourbon.
    »Sie haben Kinder«, sagte Joseph und deutete mit dem Kopf auf ein Bild zweier kleiner Kinder auf einem Tisch im Wohnzimmer. »Kinder sind großartig, nicht wahr?«
    »Wenn man auf Landplagen steht«, murrte sie.
    Er drückte Knöpfe an der Kabelbox und erhob sich. »Gibt’s noch andere?«
    »Die letzte Box
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