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Todesreigen

Titel: Todesreigen
Autoren: Jeffery Deaver
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steht im Schlafzimmer. Oben. Ich zeige es Ihnen. Warten Sie…« Sie ging aus dem Zimmer und füllte ihr Glas auf. Dann kehrte sie zu ihm zurück. Barbara führte ihn die Treppe hinauf und blieb oben stehen. Wieder musterte sie ihn von oben bis unten.
    »Wo sind Ihre Kinder heute Abend?«
    »Die Landplagen sind beim Saftsack«, erklärte sie und lachte verdrießlich über ihren eigenen Witz. »Mein Ex und ich, wir haben getrenntes Sorgerecht.«
    »Dann sind Sie also ganz allein in diesem großen Haus?«
    »Ja. Schade, was?«
    Joseph wusste nicht, ob es schade war oder nicht. Sie wirkte jedenfalls nicht besonders Mitleid erregend.
    »Also«, sagte er, »in welchem Zimmer ist die Box?« Sie standen beide im Flur.
    »Ja, klar. Folgen Sie mir«, sagte sie mit tiefer, verführerischer Stimme.
    Sie ging ins Schlafzimmer voran, setzte sich auf das ungemachte Bett und nippte an ihrem Drink. Er fand die Kabelbox und drückte auf den »On«-Schalter des Fernsehers.
    Knisternd erwachte er zum Leben und zeigte CNN.
    »Könnten Sie die Fernbedienung ausprobieren?«, sagte er und schaute sich im Zimmer um.
    »Klar«, erwiderte Barbara träge. Sie drehte sich um. Im selben Augenblick trat Joseph mit dem Strick, den er gerade aus seiner Tasche gezogen hatte, hinter sie. Er legte ihn um ihren Hals und drehte ihn immer enger, wobei er einen Bleistift als Hebel benutzte. Als ihre Kehle zusammengepresst wurde, war ein erstickter Schrei zu hören. Verzweifelt versuchte sie, zu fliehen, sich umzudrehen, ihn mit den Fingernägeln zu kratzen. Ihr Glas fiel auf den Teppich und rollte gegen die Wand, die Flüssigkeit ergoss sich über die Tagesdecke.
    In wenigen Minuten war sie tot.
    Joseph saß neben der Leiche und versuchte, zu Atem zu kommen. Barbara hatte überraschend heftig gekämpft. Er hatte seine ganze Kraft aufwenden müssen, um sie niederzuhalten und die Garrotte ihre Arbeit tun zu lassen.
    Er streifte sich Latexhandschuhe über und wischte sämtliche Fingerabdrücke ab, die er im Zimmer hinterlassen hatte. Dann zerrte er Barbaras Leiche vom Bett herunter in die Mitte des Zimmers. Er zog ihr den Pullover aus und öffnete die Knöpfe ihrer Jeans.
    Dann hielt er inne. Moment. Wie sollte sein Name gleich sein?
    Er legte die Stirn in Falten und versuchte, sich an das Gespräch vom gestrigen Abend zu erinnern.
    Wie hatte er sich genannt?
    Schließlich nickte er. Richtig. Er hatte Marissa Cooper gegenüber behauptet, er heiße Dale O’Bannion. Ein Blick auf die Uhr. Noch nicht einmal sieben. Genug Zeit, um hier fertig zu werden und nach Green Harbor zu fahren, wo sie wartete und wo die Bar einen anständigen Pinot Noir anbot.
    Er öffnete den Reißverschluss von Barbaras Jeans und zog sie bis zu den Knöcheln herunter.
    Zusammengekauert, um sich vor dem kalten Wind zu schützen, der über den Kai von Green Harbor wehte, saß Marissa Cooper auf einer Bank in einem kleinen, menschenleeren Park. Durch die immergrünen Büsche, die im Wind schwankten, beobachtete sie das Paar, das es sich im Heck eines großen Bootes bequem gemacht hatte, das am nahe gelegenen Dock festgemacht war.
    Wie so viele Bootsnamen war auch dieser ein Wortspiel:
Maine Street
.
    Sie hatte ihre Einkaufstour beendet, bei der sie ausgefallene Unterwäsche erstanden hatte (und sich, ein wenig mutlos, gefragt hatte, ob sie jemals irgendwer darin sehen würde), und sich auf den Weg zum Restaurant gemacht, als die Lichter des Hafens – und die sanft wiegende Bewegung dieses eleganten Bootes – ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten.
    Durch die Plastikfenster des Achterdecks der
Maine Street
sah sie das Paar Champagner nippen und dicht beieinander sitzen. Ein hübsches Paar – er war groß und sehr gut gebaut und hatte kräftiges grau meliertes Haar, sie war blond und hübsch. Sie lachten und redeten. Flirteten wie verrückt. Dann hatten sie den Champagner ausgetrunken und verschwanden in der Kabine. Die Teakholztür wurde zugeschlagen.
    Marissa dachte an die Unterwäsche in der Einkaufstasche, die sie bei sich trug, dachte an künftige Verabredungen und stellte sich noch einmal Dale O’Bannion vor. Sie versuchte, sich auszumalen, wie der Abend wohl verlaufen würde. Ein Frösteln überfiel sie. Sie stand auf und machte sich auf den Weg zum Restaurant.
    Über einem Glas gutem Chardonnay (kühn hatte sie ganz allein an der Bar Platz genommen – na also, Mädchen!) ließ Marissa ihre Gedanken zu der Frage schweifen, was sie beruflich tun würde. Sie hatte es nicht
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