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Todesreigen

Titel: Todesreigen
Autoren: Jeffery Deaver
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Hause, wo sie ihn reinigte und kochte.
    Ah, Jonathan…
    Sie schluckte heftig und atmete langsam ein, um ihr hämmerndes Herz zu beruhigen. Sie…
    Ein Hupen hinter ihr. Die Ampel hatte auf Grün umgeschaltet. Sie fuhr weiter und versuchte verzweifelt, ihre Gedanken von den Umständen seines Todes abzulenken: Das Chris-Craft, das unsicher im turbulenten Grau des Atlantiks schaukelte. Jonathan über Bord. Mit seinen Armen möglicherweise verzweifelt winkend, seine panische Stimme vielleicht um Hilfe rufend.
    Oh, Jonathan…
    Marissa passierte Dannervilles zweite Verkehrsampel und setzte ihren Weg Richtung Küste fort. Im letzten Sonnenlicht konnte sie vor sich den Saum des Atlantiks erkennen, all das kalte, mörderische Wasser.
    Das Wasser, das verantwortlich war für ihr Leben ohne Jonathan.
    Dann sagte sie sich: Nein. Denk lieber an Dale.
    Dale O’Bannion, der Mann, den sie in Green Harbor zum Abendessen treffen würde. Das erste Mal nach langer Zeit, dass sie sich mit einem Mann verabredet hatte.
    Kennen gelernt hatte sie ihn durch eine Anzeige in einer Zeitschrift. Sie hatten einige Male telefoniert, und nach einigem Hin und Her auf beiden Seiten hatte sie sich sicher genug gefühlt, um ihm persönlich zu begegnen. Sie hatten sich aufs Fishery geeinigt, ein beliebtes Restaurant am Kai.
    Dale hatte das Oceanside Café erwähnt, das tatsächlich die bessere Küche bot, doch das war Jonathans Lieblingsrestaurant; dort konnte sie Dale einfach nicht treffen.
    Also das Fishery.
    Sie dachte an ihr Gespräch vom letzten Abend zurück. Dale hatte gesagt: »Ich bin groß, ziemlich kräftig gebaut und ein bisschen kahl auf dem Schädel.«
    »Also gut«, hatte sie nervös erwidert. »Ich bin einsfünfundsechzig, blond und werde ein purpurfarbenes Kleid tragen.«
    Sie dachte nun über diese Worte nach. Wie typisch dieser simple Austausch doch für ein Leben als Single war, wie leicht man Menschen traf, die man nur vom Telefon kannte.
    Sie hatte kein Problem damit, sich zu verabreden. Im Gegenteil, irgendwie freute sie sich darauf. Sie hatte ihren Mann kennen gelernt, als er kurz davor stand, sein Medizinstudium abzuschließen, und sie selbst erst einundzwanzig war. Sie hatten sich beinahe auf der Stelle verlobt; das war das Ende ihres sozialen Lebens als allein stehende Frau gewesen. Jetzt konnte sie ein bisschen Spaß gebrauchen. Sie wollte interessante Männer kennen lernen und wieder anfangen, den Sex zu genießen.
    Auch wenn es zuerst anstrengend sein würde, wollte sie sich so gut es ging entspannen. Sie würde versuchen, keine Bitterkeit zu empfinden, nicht allzu witwenhaft zu wirken.
    Aber noch während sie so dachte, gingen ihre Gedanken in eine ganz andere Richtung: Würde sie sich wirklich jemals wieder
verlieben
?
    So ganz und gar, wie sie sich in Jonathan verliebt hatte?
    Und würde irgendjemand
sie
ganz und gar lieben?
    Als sie abermals an einer roten Ampel halten musste, griff Marissa nach dem Rückspiegel, drehte ihn in ihre Richtung und schaute hinein. Die Sonne war inzwischen hinter dem Horizont verschwunden, und das Licht war dämmrig. Trotzdem glaubte sie, den Rückspiegel-Test mit Bravour bestanden zu haben: volle Lippen, ein faltenloses Gesicht, das an Michelle Pfeiffer erinnerte (in einem schlecht beleuchteten Toyota-Spiegel zumindest), eine zierliche Nase.
    Und schließlich war auch ihr Körper immer noch schlank und fest. Obwohl ihr klar war, dass ihre Titten sie nicht aufs Cover des neuesten Victoria’s-Secret-Katalogs bringen würden, hatte sie doch das Gefühl, dass ihr Hintern in einer hübschen, engen Jeans einige Blicke auf sich ziehen würde.
    Jedenfalls in Portsmouth, Maine.
    Ja, verdammt, sagte sie sich, sie würde schon einen Mann finden, der zu ihr passte.
    Jemanden, der das Cowgirl in ihr zu schätzen wüsste, das Mädchen, das von seinem texanischen Großvater das Reiten und Schießen gelernt hatte.
    Vielleicht würde sie auch jemanden finden, der ihre akademische Seite liebte – das Schreiben, ihre Poesie und ihre Liebe zum Unterrichten, was nach dem College eine Zeit lang ihr Job gewesen war.
    Oder jemanden, der mit ihr lachen konnte –über Filme, über Szenen auf der Straße, über lustige Witze und über dumme. Wie sie das Lachen liebte (und wie wenig sie es in letzter Zeit getan hatte).
    Dann dachte Marissa Cooper: Nein, warte, warte… Sie würde einen Mann finden, der
alles
an ihr liebte.
    Aber sofort begannen die Tränen über ihr Gesicht zu laufen, und sie hielt schnell am
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