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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff
Autoren: B. Traven
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1.
     
    Wir hatten eine volle Schiffsladung Baumwolle von New Orleans ’rübergebracht nach Antwerpen mit der S. S. Tuscaloosa.
    Sie war ein feines Schiff. Verflucht noch mal, das ist wahr. First rate steamer, made in USA. Heimatshafen New Orleans. Oh, du sonniges, lachendes New Orleans, so ungleich den nüchternen Städten der vereisten Puritaner und verkalkten Kattunhändler des Nordens! Und was für herrliche Quartiere für die Mannschaft. Endlich einmal ein Schiffbauer, der den revolutionären Gedanken gehabt hatte, daß die Mannschaft auch Menschen seien und nicht nur Hände. Alles sauber und nett. Bad und viel saubere Wäsche und alles moskitodicht. Die Kost war gut und reichlich. Und es gab immer saubere Teller und geputzte Messer, Gabeln und Löffel. Da waren Niggerboys, die nichts andres zu tun hatten, als die Quartiere sauberzuhalten, damit die Mannschaft gesund bliebe und bei guter Laune. Die Kompanie hatte endlich entdeckt, daß sich eine gutgelaunte Mannschaft besser bezahlt macht als eine verlotterte.
    Zweiter Offizier? No, Sir. Ich war nicht Zweiter Offizier auf diesem Eimer. Ich war einfacher Deckarbeiter, ganz schlichter Arbeiter. Sehen Sie, Herr, Matrosen gibt es ja kaum noch, werden auch gar nicht mehr verlangt. So ein modernes Frachtschiff ist gar kein eigentliches Schiff mehr. Es ist eine schwimmende Maschine. Und daß eine Maschine Matrosen zur Bedienung braucht, glauben Sie ja gewiß selbst nicht, auch wenn Sie sonst nichts von Schiffen verstehen sollten. Arbeiter braucht diese Maschine und Ingenieure. Sogar der Skipper, der Kapitän, ist heute nur noch ein Ingenieur. Und selbst der A. B. der am Ruder steht und noch am längsten als Matrose angesehen werden konnte, ist heute nur noch ein Maschinist, nichts weiter. Er hat nur die Hebel auszulösen, die der Rudermaschine die Drehungsrichtung angeben. Die Romantik der Seegeschichten ist längst vorbei. Ich bin auch der Meinung, daß solche Romantik nie bestanden hat. Nicht auf den Segelschiffen und nicht auf der See.
    Diese Romantik hat immer nur in der Phantasie der Schreiber jener Seegeschichten bestanden. Jene verlogenen Seegeschichten haben manchen braven Jungen hinweggelockt zu einem Leben und zu einer Umgebung, wo er körperlich und seelisch zugrunde gehen mußte, weil er nichts sonst dafür mitbrachte als seinen Kinderglauben an die Ehrlichkeit und an die Wahrheitsliebe jener Geschichtenschreiber. Möglich, daß für Kapitäne und Steuerleute eine Romantik einmal bestanden hat, für die Mannschaft nie. Die Romantik der Mannschaft ist immer nur gewesen: unmenschlich harte Arbeit und eine tierische Behandlung. Kapitäne und Steuerleute erscheinen in Opern, Romanen und Balladen. Das Hohelied des Helden, der die Arbeit tat, ist nie gesungen worden. Dieses Hohelied wäre auch zu brutal gewesen, um das Entzücken derer wachzurufen, die das Lied gesungen haben wollten. Yes, Sir.
    Ich war nur eben gerade schlichter Deckarbeiter, das war alles. Hatte alle Arbeit zu machen, die vorkam. Richtig gesagt, war ich nur ein Anstreicher. Die Maschine läuft von selbst. Und da die Arbeiter beschäftigt werden müssen und andre Arbeit nur in Ausnahmefällen ist, wenn nicht Laderäume gereinigt werden sollen oder etwas repariert werden muß, so wird immer angestrichen. Von morgens bis abends, und das hört nie auf. Da ist immer etwas, das angestrichen werden muß. Eines Tages wundert man sich dann ganz ernsthaft über dieses ewigwährende Anstreichen, und man kommt ganz nüchtern zu der Auffassung, daß alle übrigen Menschen, die nicht zur See fahren, nichts andres tun, als Farbe anfertigen. Dann empfindet man eine tiefe Dankbarkeit gegen diese Menschen, weil, wenn sie sich eines Tages weigerten, noch weiter Farbe zu machen, der Deckarbeiter nicht wüßte, was er tun soll, und der Erste Offizier, unter dessen Kommando die Deckarbeiter stehen, in Verzweiflung geriete, weil er nicht wüßte, was er nun den Deckhands kommandieren soll. Sie können doch ihr Geld nicht umsonst bekommen. No, Sir.
    Der Lohn war ja nicht gerade hoch. Das könnte ich nicht behaupten. Aber wenn ich fünfundzwanzig Jahre lang keinen Cent ausgäbe, jede Monatsheuer sorgfältig auf die andre legte, nie ohne Arbeit wäre während der ganzen Zeit, dann könnte ich nach Ablauf jener fünfundzwanzig Jahre unermüdlichen Arbeitens und Sparens mich zwar nicht zur Ruhe setzen, könnte aber nach weiteren fünfundzwanzig Jahren Arbeitens und Sparens mich mit einigem Stolz zur untersten Schicht der
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