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Todesfracht im Jaguar

Todesfracht im Jaguar

Titel: Todesfracht im Jaguar
Autoren: Stefan Wolf
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1. Villa Isolde
     
    Tim fuhr voran, gefolgt von seinen
Freunden. Ab und zu sah er zum Himmel, wo sich Gewitterwolken wie drohende
Fäuste ballten. Es grummelte schon hinter der Skyline der Stadt; und die Luft
roch ein bißchen nach Schwefel.
    „Naß werden wir bestimmt“, rief
Gaby und rückte zu ihm auf.
    „Bin ich schon“, meinte
Klößchen, dem der Schweiß aus allen Poren tropfte.
    Tim wollte gerade sagen, es sei
nicht mehr weit bis zum Zirkus Belloni, als ein Blitz auf sie niederzuckte.
    Er war atompilz-grell. Alle
erschraken. Und der Donner folgte so rasch, als neide er dem Blitz seine
Wirkung. Ein Donner, als hätte der Himmel Balken, und alles stürze herab.
    „Das Unwetter ist genau über
uns“, rief Tim. „Wer Metallisches an sich hat — weg damit. Metall zieht den
Blitz an.“
    „Und unsere Drahtesel?“ japste
Karl. „Die sind — Gott sei Dank! — nicht aus Kunststoff.“
    „Hast recht, Karl!“ Tim spähte
umher. „Wir unterbrechen und stellen uns unter. Sonst schießt sich der Blitz
auf uns ein.“
    Wollfellner-Weg — so hieß die
Straße, die sie gerade unter den Reifen hatten. Eine Gegend am südöstlichen
Weichbild der Großstadt — mit Zufahrt zum Vorstadt-Festplatz.
    Dort, wo sonst
gewerkschaftliche Kundgebungen stattfinden, Schützenfeste und
Freiluft-Ausstellungen — dort hatte seit gestern Zirkus Belloni sein Quartier
aufgeschlagen.
    Auf den ersten Blick wirkte der
Wollfellner-Weg verkommen — auf den zweiten noch mehr. Die baufälligen Häuser
schienen der Spitzhacke entgegen zu dösen. Einige hatten in ihrer Jugend
bessere Zeiten gesehen, waren sozusagen Uralt-Villen mit dem Komfort von 1890.
Aber diese Jugend lag so lange zurück — die meisten Häuser hatten das Kommen
und Gehen ganzer Generationen erlebt.
    Tim zog sein Rennrad nach
rechts, kurvte an den Resten eines Zauns vorbei und über dörrenden Rasen zum
Haus. Es bestand aus bröckligem Fachwerk, hatte Türmchen und Giebel. Es sah
aus, als würde es den Gewitterguß nicht überstehen.
    Unter dem Vordach des Eingangs
hatte eine Fußballmannschaft Platz — samt der Ersatzbänkler.
    Alle sprangen vom Rad und
stellten sich unter. Auch den Tretmühlen gewährten sie Schutz. Nur Klößchen
ließ sein Stahlroß im Regen stehen. Der setzte jetzt ein, spritzte aus allen
Rohren, goß aus allen Kübeln. Dazu ratschten die Blitze ihr Zickzack in den
schwarzen Himmel, und der Donner klang, als liefere sich die schwere Artillerie
aller Heere das letzte Gefecht. i
    „Willi, dein Rad wird naß“,
sagte Karl.
    „Ist mir recht“, erwiderte
Klößchen. „Der Regen wäscht den Dreck ab. Dann brauche ich’s nicht zu putzen.“
    Gaby, die heute ihren
blauweißen Jogging-Anzug trug, lehnte sich an Tims Schulter. Er stand neben der
Eingangstür an der Wand, mit Kapuzen- und Deltamuskel (Rückenmuskeln) genau auf den Klingelknöpfen. Aber die funktionierten nicht mehr. Das Haus war
unbewohnt — wie die leeren und teilweise zerbrochenen Fenster verrieten.
    „Es regnet“, stellte Klößchen
fest.

    Niemand widersprach.
    „Hält das eigentlich so ein
Zirkuszelt aus?“ überlegte er laut. „Richtige Zelte sind wasserdicht“, sagte
Karl.
    „Stimmt!“ nickte Klößchen.
„Sonst stünde es schlimm um die Beduinen (Wüstenbewohner). Die wohnen ja
bekanntlich nicht nur in der Wüste, sondern zeitlebens in Zelten.“
    „Aber in der Wüste regnet es
nicht“, sagte Karl. „Dein Beispiel haut daneben.“
    Klößchen schlug nach einer
schweißgierigen Mücke.
    „Na gut! Dann meine ich eben
die Bewohner der Regenwälder und deren Zelte.“
    „Die wohnen nicht in Zelten.“
    „Das Zirkuszelt“, sagte Tim,
„ist dicht. Man wird nicht naß. Außerdem wollen wir in die Abendvorstellung.
Bis dahin hat der Regen aufgehört.“
    Daß sie schon jetzt — es war
Nachmittag — zum Zirkus fuhren, hatte natürlich seinen Grund: Für Schüler,
Studenten und Rentner gab’s im Vorverkauf verbilligte Karten. Die wollten sie
sich sichern.
    Gaby zupfte an ihrem
Pferdeschwanz.
    Tim schnüffelte an ihrem Haar.
    „Frisch gewaschen?“ fragte er.
    „Was? Mein Ohr?“ Sie pustete
gegen ihren Pony.
    „Dein Haar.“
    „Du kannst davon ausgehen“,
belehrte sie ihn: „Entweder es ist gerade gewaschen, ich will es gerade
waschen, oder ich bin dabei, es zu waschen.“
    „Die saubersten Haare der
Stadt. Hähäh!“ lachte Klößchen.
    „Was dagegen?“ fragte sie.
    „Im Gegenteil. Für ein Mädchen
gehört sich das so. Ich komme aus mit einmal pro
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