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Todesfracht im Jaguar

Todesfracht im Jaguar

Titel: Todesfracht im Jaguar
Autoren: Stefan Wolf
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Mann aus einem der Wohnwagen. Offenbar handelte es sich
um den Direktor. Jedenfalls sah er mit seinem Bierfaß-Bauch nicht wie ein
Trapez-Künstler aus, auch nicht wie der Flieger von der Schleuderbrett-Nummer.
    Glockner sah die TKKG-Bande und
winkte, wandte sich dann wieder dem Schnauzbärtigen zu. Der ließ außer den
Barthaaren auch die Schultern hängen.
    Hat wohl Depressis (Traurigkeits-Zustände ),
dachte Tim, weil der Tiger abgängig ist.
    Glockner fragte nicht, weshalb
die TKKG-Bande hier sei. Die Antwort hätte ihn nicht von seiner milden
Verzweiflung befreit. Immerhin konnte er sich ausmalen, daß bei seiner Tochter
und ihren Freunden jetzt wieder mal der Spürsinn hellwach wurde. Er stellte sie
dem Schnauzbärtigen vor. Es war tatsächlich der Zirkusdirektor — mit einem
unaussprechlichen Namen, den sich keiner merkte. Nicht mal Karl gab sich Mühe.
    „Wir wissen bereits Bescheid“,
sagte Tim. „Wie sieht es denn nun aus, Herr Glockner? Droht der Bevölkerung
unserer Stadt Gefahr? Vielleicht dem ganzen Ballungsgebiet, der Region, den
umliegenden Landkreisen, dem Bundesland?“
    „Nun krieg dich mal wieder.
Suleika ist, wie mir versichert wird, eine ganz junge Tigerin. Eher harmlos —
wenn sie satt ist.“
    „Schnurrig wie ein Kätzchen“,
nickte der Zirkusdirektor. „Aber mit der Dressur noch ganz am Anfang. Ich kann
garantieren: Wenn sie irgendwen mit der Pranke erschlägt, geschieht das nicht
aus Mordlust oder böser Absicht, sondern aus Spieltrieb. Sie weiß es noch nicht
besser.“
    „Ich glaube nicht“, sagte
Glockner, „daß das den Erschlagenen beruhigen würde. Jedenfalls ist unsere
Hundestaffel gleich hier. Dann nehmen wir die Fährte auf. Im Moment
interessiert mich das.“
    Er deutete auf den leeren
Käfig.
    Der Direktor krallte beide
Hände in seine schwammige Brust, als wollte er sich — wie weiland
Rumpelstilzchen — auseinanderreißen.
    „Ich kann es nur so deuten,
Herr Kommissar: Sabotage! Ein Anschlag auf unsere Sicherheit.“
    „Wieso?“
    „Es gibt keine andere
Erklärung. Niemals würde einer von uns absichtlich das Gitter öffnen.“
    Tim betrachtete den Käfigwagen.
Jämmerlich klein! dachte er. Und da verbringt ein Tier nun sein Leben. Schon
die Tiere im Zoo sollten einem leid tun. Ein Leben lang gefangen — nur damit
wir was zum Gaffen haben. Aber die Tiere hier — das ist ja noch armseliger.
Statt in Freiheit durch den Dschungel zu streifen, darf so eine Raubkatze nur
mal durchs Laufgitter in die Manege. Suleikas Ausflug jetzt ist sicherlich der
einzige in ihrem Tiger-Leben.
    Er trat dicht an den Käfigwagen
— teils um die Ausmaße abzuschätzen, teils instinktiv, auch weil der scharfe
Raubtiergeruch die Nase kitzelte.
    Den Boden des Käfigwagens
bedeckten Holzbohlen. Sie waren schartig, bearbeitet von Klauen und Pranken.
Spuren der Raubtier-Mahlzeit zeichneten sich ab: Fleisch- und Fettflecke auf
dem Boden, Knochensplitter. Rechts hinten, in der Ecke vor der Rückwand, war
eine Bohle hochgestemmt. Aus dem Hohlraum lappte ein Stück Zeitungspapier.
    Tim machte enge Augen.
    „...kümmert sich nur der
Tierlehrer selbst um Suleika“, hörte er den Zirkusdirektor sagen. „Er füttert
sie auch.“
    „Aber der Tierlehrer, wie Sie
sagen, ist in Innsbruck zurückgeblieben, gestern, und kommt erst nach.“
Kommissar Glockner hatte offenbar schon etliche Infos.
    „Wir erwarten ihn jede Minute“,
nickte der Direktor. „Bob Wellington ist zuverlässig. Er wird rechtzeitig vor
der Nachmittagsvorstellung hier sein.“
    „Wurde Suleika unterdessen
gefüttert?“
    „Von einem der Tierpfleger.“
    „Von welchem?“
    „Einem Italiener. Er heißt
Caldo Forliamente.“
    „Den möchte ich sprechen.“
    Tim hatte sich umgedreht. Als
einziger stand er etwas außerhalb der Gruppe.
    Seine Freunde blickten in eben
diesem Momant an ihm vorbei. Klößchens Gesicht schwoll unter einem Grinsen rot
an. Karl wurde von stummem Gelächter geschüttelt. Gaby zog die Schultern hoch —
wie immer, wenn sie ein Kichern unterdrückt.
    Tim blickte hinter sich.
    Der Anblick war tatsächlich
komisch. Ein Clown war hinter dem Käfigwagen hervorgekommen, hielt sich am
Gitter fest und schwankte. Er trug volles Kostüm, war geschminkt — und roch wie
eine Schnapsbrennerei.
    „Caldo...“, nuschelte er,
„ist... ist... Habe ihn... ihn eben gesehen. Er ist... dort hinten zum
Parkplatz hin.“ Offenbar hatte er die letzten Worte des Direktors gehört. Um
die Richtung zu weisen, wollte der Clown
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