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Todesfracht im Jaguar

Todesfracht im Jaguar

Titel: Todesfracht im Jaguar
Autoren: Stefan Wolf
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zwischen seinen sperrigen Zähnen und ließ die Hände in
den Taschen. Er war ein verlotterter Typ von Mitte Dreißig, gelernter
Ofensetzer und arbeitsscheu. Er hatte fuchsiges Kraushaar und viele
Sommersprossen im groben Gesicht. Eine Narbe zog sich vom rechten Nasenloch bis
zum Kinn wie die Hälfte eines Mongolenbarts.
    Edie blieb stehen und kniff die
Augen zusammen.
    Zirkus Belloni hatte hier auf
dem Festplatz sein Quartier aufgeschlagen: Wohn- und Käfigwagen, Zeltstadt und
Tierschau.
    Wo die Zubringer-Straße endete,
stand der Kassenwagen.
    Edie ließ den Blick gleiten.
Daß er sich alles ansah, war unverdächtig. Interesse für einen Wanderzirkus,
einen großen — das war doch völlig normal. Im Gegenteil: Gleichgültigkeit wäre
beknackt gewesen. Es sei denn, man ist Tierfeind und kann Kunstreiter nicht
leiden — so wenig wie Clowns, Kunstschützen, Messerwerfer, Stallmeister,
Seiltänzerinnen, Tierlehrer, Perche-Akrobaten, Äquilibristen (Gleichgewichts-Akrobaten) ,
Dompteure und Tierpfleger.
    Edie beobachtete die
Zirkusleute.
    Da schien eine gewisse
Aufregung zu herrschen. Na klar! Eile gehörte bei denen zum Alltag. So ruhig
wie die Eilboten von der Post konnten die ihren Job nicht machen.
    Edie prägte sich die
Örtlichkeit ein. Jetzt wußte er Bescheid. Ja, es war möglich. Wenn er durch die
Seitentür in den Kassenwagen eindrang, konnte ihn niemand bemerken —
ausgenommen die Kassiererin.
    Sicherlich gab’s einen Tresor.
Den würde sie öffnen müssen, sonst... Da kannte er nichts. Da war er aus
härtestem Holz, wie er sich immer wieder versicherte. Ihm machte es nichts aus,
eine Frau zu verprügeln. Der würde er schon beibringen, daß Widerstand ungesund
war.
    Er sah auf die Uhr.
    Der Nachmittag war noch jung.
Die erste Vorstellung begann um 16 Uhr, die zweite um 20 Uhr.
    Halb neun, dachte er, ist
sicherlich die günstigste Zeit. Da ist alles im Tresor: die Einnahmen vom
Nachmittag und die vom Abend. Hoffentlich strömen die Besucher — und nehmen
auch Logenplätze, teure.
    Er wandte sich ab, wollte
stadtwärts schlurfen.
    In diesem Moment rollten die
Polizeiwagen heran: drei insgesamt und voll besetzt.
    Edie zuckte zusammen. Verdammt!
Er hatte doch noch gar nichts... Blödsinn! Das galt ja nicht ihm. Daß er zur
Zeit gesucht wurde, hielt er für unwahrscheinlich. Sein letzter Einbruch lag
acht Wochen zurück. Außerdem hatte er null Spuren hinterlassen. Das hatte sogar
in der Zeitung gestanden — mit fast respektvollen Worten.
    Ein vierter Wagen, ein
Privatwagen, hielt bei den Polizei-Fahrzeugen. Ein hagerer Mann im weißen
Kittel stieg aus. Er nahm ein Gewehr aus dem Fond und ging zu einem Kripomann,
der beim Eingang zum Zirkusgelände auf ihn wartete.
    Den Kriminalbeamten kannte Edie
aus der Zeitung. Sein Bild war erschienen. Und wegen irgendeiner Heldentat
hatten sie ihn über den grünen Klee gelobt. Kommissar Glockner war das... Hieß
er so? Edie war sich nicht sicher. Immerhin erkannte er ihn, einen
hochgewachsenen, stabilen Mittvierziger. Sein markantes Gesicht unter dem
schütteren Haar flößte Vertrauen ein.
    Drecksbulle! dachte Edie. Du
gehörst auf den Mond. Du und deinesgleichen.
    Glockner, der Weißkittel mit
der Knarre und die Uniformierten entfernten sich. Sie bewegten sich flott.
Zirkusleute kamen ihnen entgegen.
    Was war los? Edie kaute auf
seiner wulstigen Unterlippe. Hatte der Messerwerfer den Kunstschützen
aufgespießt?
    Ein Polizist postierte sich am
Eingang.
    Edie sockte zu ihm.
    „Tag!“ grinste er. „Sieht ja
gefährlich aus — weil gleich ‘ne Hundertschaft anrückt. Ist was passiert?“
    Der Polizist musterte ihn. Daß
ihm Edie nicht gefiel, war der amtlichen Miene zu entnehmen. Andererseits war
der Einsatz kein Dienstgeheimnis.
    „Der Tiger ist los“, antwortete
er.
    Edie riß die Augen auf. „Der
Tiger?“
    „Eine Tigerin, um genau zu
sein. Das Biest heißt Suleika.“
    „Suleika?“ wiederholte Edie
dümmlich. Er spürte ein Frösteln auf der Haut.
    „Man glaubt es nicht“,
bestätigte der Polizist. „Da gibt es Sicherheitsbestimmungen, Laufgitter und
Käfige. Aber die Zirkusleute halten ihre Bestien für Brieftauben.“
    „Brieftauben?“ Edie blickte
nervös um sich. „Wenn ich Sie richtig verstehe, Hauptwachtmeister, ist denen
also ein Tiger abgehauen? Entkommen! Entflogen!“

    „Wieso entflogen?“
    „Weil Sie Brieftauben
erwähnten.“
    „Das war doch nur ein Vergleich.
Ich wollte ausdrücken, daß die Zirkusleute zu sorglos sind. Die haben
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