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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon
Autoren: Robert Wilson
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kalten weißen Händen. Sie bewegte ihre Faust quälend langsam auf und ab, ohne den Blick von seinem Gesicht zu wenden. Sein Hals bebte, und er zog sie auf seinen Schoß, wobei sich ihr Mantel öffnete und ihr Kleid bis über die Strumpfbänder hochrutschte. Er zog ihren Schlüpfer beiseite, und sie musste sich an den Armlehnen festhalten, um nicht zu fallen. Behutsam setzte sie sich auf ihn und spürte, wie sich das Brennen langsam in ihrem Körper ausbreitete.
     
    Schwere schwarze Vorhänge wehrten das eisengraue Licht der ersten Dämmerung ab. Die weißen Leinenlaken waren steif vor Kälte. Beim zweiten Krachen, verbunden mit dem Geräusch splitternden Holzes, hob Felsen den Kopf vom Kissen. Stiefel polterten über Parkettböden, irgendetwas fiel und rollte. Felsen wandte sich um, die Schulter von der Kälte verspannt, während die Rädchen in seinem Gehirn nach all dem Alkohol und dem fehlenden Schlaf nur mühsam zu rotieren begannen. Die beiden großen Spiegelglasscheiben der Doppeltür zum Schlafzimmer barsten. Zwei Männer in wadenlangen schwarzen Ledermänteln betraten das Zimmer. Warum machten sie nicht einfach die Tür auf?, war Felsens einziger Gedanke.
    Eva schreckte aus dem Schlaf hoch, während Felsen aus dem Bett glitt und nackt in die Hocke ging. Ein schwarzer Stiefel traf ihn am Kopf, und er ging zu Boden.
    »Felsen!«, brüllte eine Stimme.
    Felsen murmelte benommen vor sich hin, während der Raum von Evas Kutscherflüchen widerhallte.
    »Sie! Halten Sie den Mund!«
    Er hörte ein dumpfes Klatschen, ein Schlag mit der Faust, dann war Ruhe.
    Felsen lehnte sich ans Bett, bei der Berührung des kalten, glänzenden Bodens zogen sich seine Genitalien zusammen.
    »Ziehen Sie sich an!«
    Stolpernd schlüpfte er in ein paar Kleider. Warmes Blut sickerte aus einer Wunde hinter seinem Ohr. Die Männer packten ihn an beiden Schultern, trampelten knirschend über die Scherben und öffneten dieses Mal, stets höflich auf dem Weg nach draußen, sogar die Türen.
    Ein grüner, vergitterter Transporter war der einzige Farbtupfer in einer Schlucht aus schneebedeckten grauen Gebäuden, die Straße gefroren zu einer weißen arktischen Landschaft mit grauen und schwarzen Rändern. Die Türen des Transporters öffneten sich, und Felsen wurde in eine Dunkelheit aus keuchender Angst gestoßen.

2
    16. Februar 1941,
    Prinz-Albrecht-Straße 8, Geheimes
    Staatspolizeiamt
     
    Die Türen des Transporters wurden geöffnet, davor brüllte ein bewaffneter Soldat Unverständliches. Ein Gewehrkolben traf Felsen seitlich an der Schulter. Er stieg in den knöcheltiefen Matsch und stolperte über die Treppe vom Hof in das strenge steinerne Gestapo-Gebäude. Er war einer von vier Gefangenen, die direkt in den Keller geführt wurden, in einen langen, schmalen Flur mit Zellen zu beiden Seiten. Das meiste Licht drang aus einer offenen Tür, aus der man das Stöhnen eines Mannes hörte. Die beiden Gefangenen vor Felsen blickten ins Licht und wandten die Köpfe rasch wieder ab. Ein Mann mit aufgekrempelten Hemdsärmeln und einer steifen, von oben bis unten fleckigen braunen Schürze widmete sich einem an einen Stuhl gefesselten Mann.
    »Machen Sie die Tür zu, Krüger«, sagte er mit der müden, leidgeprüften Stimme eines Mannes, der einen langen und harten Arbeitstag vor sich sieht. Mit einem leisen Knall wurde der Flur ins fahle Licht einer Natriumdampflampe getaucht. Man steckte Felsen in eine stinkende, unbeleuchtete Zelle mit einer Pritsche und einem vollen Eimer. Er stemmte sich mit beiden Händen gegen die feuchte Wand und versuchte, das Gefühl klammer Kälte in seinem Brustkorb wegzuatmen. Er war zu weit gegangen. Das wusste er jetzt.
    Nach mehreren Stunden holten sie ihn, führten ihn an der geschlossenen Folterkammer vorbei in ein Büro mit hohen Fenstern im ersten Stock, in dem ein Mann im dunklen Anzug an seinem Schreibtisch saß und lächerlich lange seine Brille putzte. Felsen wartete. Der Mann hatte ihn aufgefordert, Platz zu nehmen.
    »Wissen Sie, warum Sie hier sind?«
    »Nein.«
    Der Mann setzte die Brille auf und schlug eine Akte auf, die er so hielt, dass Felsen sie nicht einsehen konnte, sondern stattdessen auf den präzise gezogenen Scheitel des Mannes starrte.
    »Kommunismus.«
    »Das ist ein Witz.«
    Der Mann blickte auf, ging jedoch nicht auf den Einwand ein.
    »Sie sind projüdisch.«
    »Seien Sie nicht albern.«
    »Außerdem kannten Sie eine Frau namens Michelle Duchamp.«
    » Das ist richtig.«
    »Meine
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