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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon
Autoren: Robert Wilson
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habe die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt … diese ständigen Einladungen.«
    »Wir haben doch auch ein paar schöne Zeiten gehabt«, sagte Eva.
    »Was hast du gesagt?« Felsen, der auf den Teppich gestarrt hatte, blickte überrascht auf.
    »Nichts«, sagte sie und beugte sich über ihn, um ihre Zigarette auszudrücken. Er atmete ihren Duft ein, bis sie sich wieder zurückzog. »Was wird denn heute Abend gespielt?«
    »Sally Parkers Spiel. Poker.«
    »Wohin wirst du mich mit dem Gewinn ausführen?«
    »Man hat mir geraten zu verlieren.«
    »Um deine Dankbarkeit zu zeigen.«
    »Für einen Auftrag, den ich gar nicht haben will.«
    Draußen fuhr ein Wagen durch den Schneematsch in der Kurfürstenstraße.
    »Eine Möglichkeit gibt es«, sagte sie.
    Felsen blickte auf, ein Sonnenstrahl brach durch die Wolken.
    »Du könntest sie ausnehmen.«
    »Daran habe ich auch schon gedacht«, erwiderte er lachend.
    »Es könnte gefährlich sein, aber …« Sie zuckte die Achseln.
    »Die würden mich schon nicht ins KZ stecken, nicht bei allem, was ich für sie tue.«
    »Die stecken heutzutage jeden ins KZ … glaub mir«, sagte sie. »Das sind Leute, die die Linden Unter den Linden fällen, damit wir, wenn wir ins Café Kranzler gehen, im Visier der steinernen Adler auf ihren Säulen sitzen. Unter den Augen wäre jetzt passender. Wenn sie das machen können, können sie auch Klaus Felsen, Eva Brücke und Graf Otto von Bismarck ins KZ stecken.«
    »Wenn er noch leben würde.«
    »Das ist denen doch egal.«
    Er stand auf und sah sie an. Er war nur ein paar Zentimeter größer als sie, aber fast dreimal so breit. Sie streckte ihren schlanken weißen Arm mit dem blau geäderten Handgelenk quer über die Tür und versperrte ihm den Weg.
    »Halt dich an den Rat, den man dir gegeben hat«, sagte sie. »Ich habe bloß einen Scherz gemacht.«
    Er packte sie, und seine Finger gruben sich in die Spalte ihres Hinterns, was sie nicht mochte. Dann küsste er sie. Sie wand sich hin und her und zog schließlich seine Hand weg. Dabei drückten sie sich in der Tür aneinander vorbei.
    »Ich komme wieder«, sagte er und hoffte, dass es nicht klang wie eine Drohung.
    »Ich komme in deine Wohnung, wenn ich den Klub geschlossen habe.«
    »Es könnte spät werden. Du weißt ja, wie das beim Pokern geht.«
    »Weck mich, wenn ich schon schlafe.«
    Er öffnete ihre Wohnungstür und drehte sich noch einmal zu ihr um. Ihr Morgenmantel war aufgegangen und gab den Blick auf ihre Beine frei. Als er sie so ansah, wirkte sie auf einmal älter als fünfunddreißig. Er schloss die Tür und trottete die Stufen hinunter. Unten blieb er stehen, eine Hand auf das verschnörkelte Geländer gelegt, und hatte im schwachen Licht des Treppenhauses plötzlich das Gefühl, Anker zu lichten.
     
    Um kurz nach sechs stand Felsen in seiner dunklen Wohnung und blickte ins matte Schwarz der Nürnberger Straße. Er schirmte seine brennende Zigarette mit der Hand ab und lauschte dem Wind und dem Schneeregen, die an den Fensterläden rüttelten. Ein Wagen mit zu Schlitzen verengten Scheinwerfern kam Matsch spritzend die Straße hinunter, doch es war kein Stabsfahrzeug, und das Auto fuhr weiter zum Hohenzollerndamm.
    Er zog an seiner Zigarette und dachte intensiv an Eva, an die Befangenheit ihrer Begegnung und daran, wie sie ihn mit der Erwähnung all seiner alten Freundinnen von vor dem Krieg aufgezogen hatte, die ihm beigebracht hatten, wie man kein Bauernjunge mehr war. Eva hatte sie ihm vorgestellt, um dann, nachdem die Engländer den Krieg erklärt hatten, selbst ihren Platz einzunehmen. Er konnte sich nicht erinnern, wie das geschehen war. Ihm fiel nur ein, wie Eva ihm das Nichts beigebracht hatte, wie sie versucht hatte, ihm das Geheimnis des Nichts zu vermitteln, die Feinheiten der Räume zwischen Wörtern und Zeilen. Sie war eine große Schweigerin.
    Er erinnerte sich zurück bis zu dem Moment ihrer Affäre, als er sie, wütend über ihre Distanziertheit, beschuldigt hatte, die »geheimnisvolle Dame« zu mimen, während sie lediglich ein als Nachtklub getarntes Bordell betrieb. Sie hatte ihm eisig erklärt, sie täusche überhaupt nichts vor. Sie hatten sich für eine Woche getrennt, und er hatte mit den namenlosen Mädchen von der Friedrichstraße herumgehurt und gewusst, dass sie davon hören würde. Sie ignorierte sein Wiederauftauchen im Klub und ließ ihn erst zurück in ihr Bett, als sie sicher war, dass er sich nichts eingefangen hatte, aber … sie hatte ihn wieder zu
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