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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon
Autoren: Robert Wilson
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Sie nahm sich eine seiner Zigaretten, und er gab ihr Feuer.
    »Ich habe mich schon gefragt, wo du warst«, sagte sie und nahm ihm ungehalten das Feuerzeug ab.
    Sie hatte ihre Lippen geschminkt und sich das Haar gebürstet. Jetzt zog sie das Telefon aus der Wand, damit sie in Ruhe reden konnten.
    »Wo bist du gewesen?«, fragte sie.
    »Beschäftigt.«
    »Probleme bei der Arbeit?«
    »Das wäre mir lieber gewesen.«
    Sie goss den Kaffee ein und gab einen Schuss Brandy in ihre Tasse. Als sie auch ihm einen Schluck dazugießen wollte, hielt er sie davon ab.
    »Hinterher«, sagte er. »Ich will erst den Kaffee genießen. Sie haben mich gezwungen, zwei Tage lang Tee zu trinken.«
    »Wer?«
    »Die SS.«
    »Diese Jungs sind so schrecklich brutal«, sagte sie mit automatischer Ironie, jedoch ohne zu lächeln. »Was will die SS von einem süßen schwäbischen Bauern wie dir?«
    Zigarettenqualm kräuselte sich unter der Art-déco-Lampe. Felsen kippte ihren Schirm nach unten.
    »Sie sagen es nicht, aber ich habe das Gefühl, es geht um einen Auftrag.«
    »Jede Menge Fragen nach deinem Stammbaum?«
    »Ich habe ihnen erzählt, dass mein Vater mit bloßen Händen die kräftige deutsche Erde gepflügt hat. Das hat ihnen gefallen.«
    »Hast du ihnen von deinem Fuß erzählt?«
    »Ich habe gesagt, mein Vater hätte einen Pflug darauf fallen lassen.«
    »Haben sie gelacht?«
    »Die Stimmung bei denen ist nicht besonders humorig.«
    Er trank seinen Kaffee aus und kippte einen Schluck Brandy über den Satz in der Tasse.
    »Kennst du einen Gruppenführer namens Lehrer?«, fragte Felsen.
    »SS-Gruppenführer Oswald Lehrer«, sagte sie und wurde ganz still. »Warum?«
    »Ich spiele heute Abend mit ihm Karten.«
    »Ich habe gehört, er ist dafür verantwortlich, dass die SS oder, genauer gesagt, die Konzentrationslager wirtschaftlich arbeiten … sich selbst finanzieren. Irgendwas in der Richtung.«
    »Du kennst jeden, was?«
    »Das ist mein Geschäft«, erwiderte sie. »Ich bin überrascht, dass du noch nie von ihm gehört hast. Er war schon im Klub. Er und der Alte.«
    »Natürlich habe ich schon von ihm gehört«, sagte er, doch das stimmte nicht.
    Felsens Gedanken rasten. Konzentrationslager. KZ. Was hatte das zu bedeuten? Würden sie ihm eine billige Arbeit in einem Konzentrationslager zuweisen? Seine Fabrik auf die Produktion von Munition umstellen? Sie wollten ihm doch hoffentlich nicht die Leitung eines KZs andienen.
    »Trink einen Schluck Brandy«, sagte Eva und setzte sich auf seinen Schoß. »Hör auf zu grübeln. Du hast doch sowieso keine Ahnung.«
    Sie strich mit den Fingern über seine stoppeligen Wangen und rieb ihm mit dem Daumen übers Kinn, als wäre er ein kleines Kind, das sich schmutzig gemacht hatte. Dann küsste sie ihn und hinterließ frischen Lippenstift auf seinem Mund.
    »Hör auf zu grübeln«, sagte sie.
    Er schob seine große Hand unter ihre Achselhöhle und legte sie dann auf eine ihrer festen nackten Brüste. Seine andere Hand schob er unter den Bund ihres Schlüpfers. Sie spürte, wie er unter ihr hart wurde, stand auf, zog den Morgenmantel wieder fest um sich, knotete ihn zu, ging zur Tür und lehnte sich an den Rahmen.
    »Sehe ich dich heute Abend?«
    »Wenn die mich gehen lassen«, sagte er und rutschte, irritiert durch seine Erektion, auf dem Stuhl hin und her.
    »Haben sie gefragt, wie ein schwäbischer Bauernjunge dazu kommt, so viele Sprachen zu sprechen?«
    »Ja, das haben sie tatsächlich.«
    »Und du musstest ihnen eine Chronik all deiner Geliebten liefern?«
    »So ähnlich.«
    »Französisch von Michelle.«
    »Das war also Französisch?«
    »Portugiesisch von diesem brasilianischen Mädchen. Wie hieß sie noch?«
    »Susana. Susana Lopes«, antwortete er. »Was ist mit ihr geschehen?«
    »Sie hatte Freunde. Die haben sie nach Portugal rausgeschleust. Mit ihrer dunklen Haut hätte sie sich in Berlin nicht lange gehalten«, sagte Eva. »Und Sally Parker. Sally hat dir Englisch beigebracht, stimmt’s?«
    »Und Poker und Swingtanzen.«
    »Wer war die Russin?«, fragte Eva.
    »Ich spreche kein Russisch.«
    »Olga?«
    »Wir sind nur bis da gekommen.«
    »Ja«, meinte Eva, » njiet kam in ihrem Wortschatz auch nicht vor.«
    Sie lachten. Eva beugte sich über ihn und klappte den Lampenschirm wieder hoch.
    »Ich war zu erfolgreich«, sagte Felsen, auch wenn ihm eine selbstmitleidige Miene nicht gelingen wollte. Er goss sich noch einen Schluck Brandy in die Tasse.
    »Bei den Frauen?«
    »Nein, nein. Ich
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