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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor
Autoren: Michael Siefener
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Auftrag der hohen und ehrwürdigen Universität hier.
Meine Forschungen sind äußerst wichtig.«
    »Das glaube ich Euch gern, aber ich sagte schon, dass es
nicht geht.« Der Dürre reichte ihm das Sendschreiben
zurück. »Ihr habt mir noch keinen Grund dafür
genannt«, beharrte Andreas. »Benötigt Ihr etwa
ein Schreiben des Kanzlers persönlich?«
    »Darum geht es nicht. Es ist einfach nicht möglich,
weil wir in unseren Akten zwar einige Teufelspakte haben, es
darüber aber kein Verzeichnis gibt. Ihr würdet Jahre
brauchen, um sie zu finden.« Seine hohe Stimme hallte in
dem alten Gewölbe schrill wider. Auf Andreas wirkte er wie
eine Spinne, die in ihrem Netz saß und jeden aussaugte, der
ihr zu nahe kam.
    »Ich werde schon etwas finden; verlasst Euch darauf. Ich
habe gehört, dass erst vor wenigen Wochen ein solcher Fall
zur Verhandlung vor den erzbischöflichen Stuhl gekommen ist.
Mit diesem möchte ich gern beginnen.«
    »Was nutzt Euch ein einziger Fall, wenn Ihr
vergleichende Forschungen anstellen wollt?«, fragte der
Dürre mit einem schmierigen Lächeln. Er rieb sich die
Hände; Staub schien von ihnen aufzusteigen.
    »Wer nirgendwo beginnt, wird nie ans Ende kommen«,
versetzte ihm Andreas. »Könntet Ihr mir diese Akte
heraussuchen, wenn ich Euch den Namen des Delinquenten
sage?«
    »Möglicherweise.« Der Dürre wandte den
Blick von Andreas ab und blätterte in einigen Akten vor
sich, die genauso staubig wie er selbst waren.
    »Hättet Ihr die Güte, mir die Akte des Ludwig
Leyendecker herauszusuchen?«
    »Ah ja, daran erinnere ich mich. Ein eindeutiger Fall,
daher konnte sofort ein Urteil gefällt werden. Ganz hinten
rechts.« Der Dürre deutete auf die Tür ihm
gegenüber und versank wieder in seinen Akten.
    Andreas querte den Flur und öffnete die Tür, die ihm
angewiesen worden war. Dunkelheit hockte dahinter. »Habt
Ihr ein Licht für mich?«, fragte er in die Finsternis
hinein. Etwas hinter ihm zischte. Er drehte sich rasch um.
    Der Dürre hatte ihm einen Kienspan angezündet und
streckte ihn nun so weit wie möglich von sich ab. Der Geruch
der Leuchtquelle war unangenehm. Andreas ergriff den Span, hielt
ihn ebenfalls weit von sich und betrat die Gruft der moderigen
Schriftstücke.
    Die Akten schälten sich aus der Dunkelheit, wenn er mit
dem Licht an ihnen vorbeiging. Manche waren so dick, dass sie mit
Lederbändern zusammengehalten werden mussten; andere waren
dünn, hohlbrüstig. Hinter jeder steckte ein Mensch. Ein
Schicksal, meist mit ungutem Ausgang. Hier unten, in diesem
fensterlosen Gewölbe, lagen die Hoffnungen, Träume und
Untaten so vieler Menschen begraben.
    Und eines dieser pergamentenen Grabmonumente gehörte
seinem Freund Ludwig Leyendecker, der bei Andreas’ Abreise
nach Bologna noch so vergnügt und fröhlich gewesen war,
als könne ihn niemals ein Unglück treffen.
    Ganz hinten rechts, hatte der Archivar gesagt.
Tatsächlich fand Andreas die Akte recht schnell. Sie war
dünn. Ludwig schien nur ein unwesentlicher Fall gewesen zu
sein. Die Ledermappe enthielt einen kurzen Bericht über die
Umstände, unter denen Ludwig Leyendecker aufgefunden worden
war, sowie das Urteil der Exkommunikation.
    Und dann fielen Andreas im zuckenden Licht des schwelenden
Kienspans die beiden Schriftstücke in die Hand, die er so
verzweifelt gesucht hatte.
    Der Abschiedsbrief und der Teufelspakt.
    Das angebliche Bündnis mit den Mächten der
Hölle war in holperigem Latein abgefasst. Der Fürst der
Finsternis verfügte offenbar nur über
äußerst mangelhafte Lateinkenntnisse. Ludwigs
Unterschrift jedoch – rot wie Blut – schien echt zu
sein. Er kannte die Signatur seines Freundes, und eine
Gänsehaut kroch ihm über den Rücken, als er las,
wie Ludwig angeblich seine Seele dem Teufel im Gegenzug für
weltliche Macht und Reichtum verkauft hatte. Bei diesem Vertrag
konnte es sich nur um eine Fälschung handeln. Das
dämonische Latein quoll über vor Fehlern, die Luzifer
wohl nie gemacht hätte. So lautete die Überschrift in
Großbuchstaben: »Pactus cum diabboli«; korrekt
hätte es heißen müssen: »Pactum cum
diabolo«. In dieser Art ging es weiter. Andreas hatte nie
an einen Teufelspakt geglaubt, und er war froh, seine Vermutung
bestätigt zu sehen.
    Sehr froh.
    Dann nahm er sich den Abschiedsbrief vor. Er las ihn immer
wieder. Ludwig legte darin dar, dass er das Wissen um den mit dem
Fürsten der Hölle eingegangenen Pakt nicht
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