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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor
Autoren: Michael Siefener
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nicht schon herausgefunden
haben?«
    »Sie haben nach Beweisen für Ludwigs Schuld
gesucht. Ich hingegen suche nach Beweisen für seine
Unschuld. Fakten muss man deuten; das habt Ihr mir schon so oft
gesagt. Und manchmal kann man sie auf ganz verschiedene Weise
deuten. Ihr seid doch Professor an der Universität.
Könnt Ihr mir kein Schreiben ausstellen, das mich
berechtigt, Forschungen über Teufelspakte in den Archiven
des Kölner Erzbischofs zu betreiben?«
    Hülshout lächelte zuerst schwach, dann immer
breiter. »Du bist ein zäher Kerl, Andreas. Wenn du
dich einmal verbissen hast, gibst du deine Beute nicht mehr
frei.« Er drehte sich um, zog ein leeres Pergamentblatt aus
einem Stapel auf dem Tisch, tauchte den langen
Gänsefederkiel in das kleine Fässchen vor sich und
begann zu schreiben. Andreas hörte mit Vergnügen, wie
der Kiel über das Pergament kratzte.
    Nachdem Hülshout das Geschriebene gelöscht hatte,
faltete er den Bogen, versah ihn mit seinem Siegel und
übergab ihn Andreas. »Das müsste dir einige
Türen öffnen«, murmelte er. »Und nun lass
mich allein. Ich habe noch zu arbeiten.«
    Andreas verließ die Studierstube des Geistlichen. Wie
anders hatte er sich seine Heimkehr vorgestellt. Er betrat sein
Schlafzimmer, tastete in der Dunkelheit nach dem Öllicht auf
dem kleinen Tisch, zündete es an und setzte sich auf das
hohe Bett mit der harten Strohmatratze. Draußen war Sankt
Kolumba nicht mehr vom schwarzen Himmel zu unterscheiden. Er
drehte den versiegelten Brief in der Hand. Gleich morgen
würde er den Palast des Erzbischofs aufsuchen, in dem sich
auch die Archive befanden.
     
    Schon früh am nächsten Morgen machte sich Andreas
mit seinem Empfehlungsschreiben auf den Weg. Er ging die
Minoritenstraße hinunter, vorbei an der langen Klostermauer
der Minderbrüder, dann weiter durch die Große
Budengasse, die ihren Namen von dem in dieser Straße
liegenden Brauhaus hatte. Der malzige Geruch hing schwer in der
Luft. Andreas bog links in die Straße »Unter
Goldschmied« ab und warf flüchtige Blicke auf die
Läden und Werkstätten der Goldschmiede, aus denen
leises Gehämmer und Geklingele drang. Frauen in edlen
Kleidern und mit perlenbestickten Hauben standen auf ihren
hölzernen Trippen vor den Buden und begutachteten in der
Sonne blinkenden Schmuck.
    Bald stand Andreas im Domhof. Der gewaltige Umriss des Domes
war wie ein steinerner Traum von Schwere, die zum Himmel strebt,
doch es war ein nicht ausgeträumter Traum. Schon lange war
eines der Wahrzeichen Kölns der große Baukran auf der
unvollendeten Kathedrale. An der Südseite des Domhofs,
hinter den Buden, Ständen und Bänken, wo Messer,
Handschuhe, Töpferwaren und Devotionalien feilgeboten
wurden, erhob sich der erzbischöfliche Palast, dem man noch
die Brandkatastrophe ansah, auch wenn sie schon beinahe siebzig
Jahre zurücklag. Notdürftig waren die Spuren
übertüncht und ausgebessert worden, doch über dem
Gebäude schwebte ein Hauch von Verfall. Ruprecht von der
Pfalz, der seit 1463 Kölner Erzbischof war, hatte im
vergangenen Jahr Neuss unter seine Herrschaft zu bringen
versucht, weswegen die Stände erst vor kurzem den Dechanten
von Sankt Gereon, den Landgrafen Hermann von Hessen, zum
Stiftsverweser eingesetzt hatten. Bei dieser Unruhe war
natürlich an die Erneuerung des Palastes nicht zu
denken.
    Andreas trat vor die Wachen am Eingang des Palastes und zeigte
das Siegel auf dem Pergament vor. Tatsächlich wurde er ohne
weitere Nachfragen durchgelassen. Im kühlen Innern des
weitläufigen Bauwerks erkundigte er sich bei einem Schreiber
nach dem Verwalter der Archive und wurde in den Keller geschickt.
Nach einigem Suchen fand er schließlich in einem breiten,
überwölbten Gang einen kleinen Tisch mit einem
äußerst dürren, großen Mann dahinter.
Dieser sah ihn mit stechenden Augen an. Andreas hielt ihm das
Pergament unter die spitze Nase. Mit schrecklich
umständlichen Bewegungen kramte der Dürre eine Brille
unter seinem langen, verstaubten Wams hervor und setzte sie sich
auf die Nase. Mit einer Hand hielt er die Gläser fest, mit
der anderen erbrach er geschickt das Siegel und las den Text.
Nachdem er die Worte so lange studiert hatte, dass Andreas schon
befürchtete, er könne gar nicht lesen, schaute er
endlich auf und sagte mit dünner Stimme: »Ihr wollt
die Teufelspakte sehen? Unmöglich.«
    »Warum?«, fragte Andreas entmutigt. »Ich bin
im
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