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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor
Autoren: Michael Siefener
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Lebens zählte, durfte es nicht
geben.
    »Ich hörte, das neue Altarbild ist fertig?«,
fragte Elisabeth.
    Andreas nickte. »Hülshout feiert jetzt die Messe
noch lieber, da er sich bei der Wandlung selbst ansehen
kann«, gab er ein wenig spöttisch zurück.
»Wenigstens für ihn ist nach all den schlimmen
Ereignissen das Glück gekommen. Was man für Barbara
Leyendecker nicht behaupten kann.«
    »Zum Schluss hatte ich doch ein wenig Mitleid mit
ihr«, sagte Elisabeth und schaute hinunter auf die
Jagdszene des flandrischen Teppichs. Das Reh hat seine Jäger
totgebissen, dachte Andreas mit gemischten Gefühlen, als er
ihren Blicken folgte.
    »Das ehrt Euch«, antwortete er. »Aber Ihr
habt richtig gehandelt. Barbara Leyendecker hatte zum Mord an
Eurem Bruder angestiftet, und dafür hat sie nach dem
weltlichen Recht den Tod verdient.« Sie war nicht das
einzige Opfer der Gerechtigkeit geblieben. Auch Elisabeths Gemahl
hatte der Tod ereilt. Kurz nachdem er in den Kerker geworfen
worden war, und bevor er eine Aussage machen konnte, fand ihn der
Kerkerwächter eines Morgens tot im schmutzigen Stroh liegen.
Keiner der übrigen Gefangenen wollte angeben, wie Heinrich
Bonenberg zu Tode gekommen war, doch alle schienen große
Angst zu haben. Auf diese Weise war der letzte Zeuge der
großen kölnischen Verschwörung beseitigt worden.
Gegen andere Ratsmitglieder und Kaufleute, die an ihr beteiligt
waren, gab es keinerlei Beweise mehr. Nur Andreas und Elisabeth
wussten, dass Peter Krantz einer von ihnen gewesen war, doch da
keine weiteren Anzeigen gegen ihn vorlagen, wurde er nicht zur
Rechenschaft gezogen. Elisabeth ärgerte dies maßlos.
Sie waren ohnmächtig gegen ihn, und noch am Tag vor Barbara
Leyendeckers Hinrichtung hatte er Andreas zufällig auf der
Breiten Straße getroffen und ihn im Bewusstsein seiner
Unangreifbarkeit kalt freundlich gegrüßt.
    »Manche Schurken erhalten ihre Strafe, andere
nicht«, sagte Elisabeth und stand von ihrem Scherenstuhl
auf. »Ist das Gerechtigkeit?«
    »Die menschliche Gerechtigkeit ist unvollkommen«,
erwiderte Andreas und stützte den Kopf in die Hände.
»Doch vor Gott wird kein Unrecht Bestand haben.«
    »Wenigstens Anne geht es jetzt besser«, meinte
Elisabeth und schaute aus dem Fenster auf die Gasse hinaus, durch
die ein kleiner Junge eine Gänseschar trieb.
    »Habt Ihr Nachricht von ihr?«, fragte Andreas und
liebkoste Elisabeths Rücken mit seinen Blicken.
    »Einer meiner Boten hat mir heute Morgen einen Brief aus
Aachen gebracht. Ich hatte ja befürchtet, dieser Edwyn habe
sie wieder um den Finger gewickelt, aber in Wirklichkeit war es
andersherum. Sie hat ihn nur benutzt, um Euch zu retten. Sie ist
wieder bei ihren Eltern, und es geht ihr gut.« Elisabeth
drehte sich um und lächelte Andreas an. »Werdet Ihr
mir die Absolution erteilen, wenn ich zu Euch in den Beichtstuhl
komme?«
    »Für alles.«
    »Auch dafür, dass mir jetzt durch Erbfolge gleich
zwei Handelshäuser in den Schoß gefallen sind und ich
gedenke, beide weiterzuführen? Ich habe vor, mit weiteren
Gütern zu handeln, vor allem mit flandrischem Tuch und
englischer Wolle, aber auch mit Erzen und Steingutwaren. Es ist
wichtig, neue Handelsbeziehungen zu knüpfen, damit meine
Häuser nie wieder von politischen Entscheidungen in ihrer
Existenz bedroht werden können.«
    Andreas hob die Brauen. Diese Frau hatte eine ungeheure Kraft.
Das kölnische Recht erlaubte ihr, als Kauffrau tätig zu
sein, aber die Führung gleich zweier Häuser war einfach
unerhört. Und offenbar wollte sie etliche Neuerungen
einführen. Sie hatte beachtlichen Unternehmergeist.
»Ich bewundere Euch«, sagte er aufrichtig.
    Sie wurde rot. Es stand ihr so gut. »Ich Euch
auch«, flüsterte sie.
    »Ich wünsche Euch Gottes Segensfülle«,
meinte er. »Es möge nie der Schatten eines Übels
auf Euch fallen.«
    »Mit Eurer Hilfe werde ich alle Schatten
zerstreuen«, sagte sie. Unschlüssig stand sie am
Fenster. Sie wirkte, als wolle sie auf ihn zustürzen und ihm
in die Arme fallen. Wie gern hätte er das erlebt. Seufzend
stand er auf, verneigte sich leicht vor ihr und sagte: »Ich
werde Euch helfen und schützen, wo und wann immer es
nötig ist.« Mit diesen Worten verließ er
sie.
     
    Kaum ein halbes Jahr später wurde die Verhansung
Kölns durch den Frieden von Utrecht aufgehoben. Andreas
Bergheim erfuhr diese Neuigkeit durch Johannes Hülshout nach
der Vesper in der
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