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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor
Autoren: Michael Siefener
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hatten, sagte Andreas:
»Wir sollten uns im Rathaus trennen. Wenn die Explosion
ihre volle Sprengkraft entfalten soll, wird das Schwarzpulver
wahrscheinlich in den Kellergewölben versteckt sein.
Bestimmt ist der Rat schon zusammengekommen. Ihr müsst die
Versammlung warnen.« Elisabeth nickte.
    Als sie den Platz vor dem Rathaus erreicht hatten, sahen sie
den Ratsherrn Krantz in seinem schwarzen Tabbard und dem hohen
spanischen Hut in einiger Entfernung vom Portal auf und ab gehen.
Hoffnung durchströmte Andreas. »Vielleicht tagen sie
gar nicht«, rief er Elisabeth zu, während er auf
Krantz zulief. »Krantz!«, rief er. »Krantz, ist
der Rat zusammengetreten?«
    Der junge Ratsherr sah die beiden Gestalten, die da auf ihn
zuliefen, mit großem Erstaunen an. Es hatte den Anschein,
als wolle er fortgehen und sie nicht weiter beachten, doch dann
überlegte er es sich wohl anders. Er kam auf Andreas und
Elisabeth zu. »Was ist denn mit Euch los?«
    »Ist der Rat zusammengetreten?«, fragte Andreas
noch einmal, als er vor dem jungen Mann stand und wild nach Luft
rang.
    »Vor einer halben Stunde. Ist das für Euch
wichtig?«
    »Alle müssen das Rathaus sofort verlassen«,
sagte Elisabeth. »Es kann jeden Moment in die Luft
fliegen.«
    Krantz schenkte ihr einen Blick, der zwischen Belustigung und
Unverständnis hin und her schwankte. Elisabeth zerrte ihn am
Ärmel seines Tabbards. »Kommt mit. Helft mir! Mir
werden die Ratsherren nicht zuhören. Schnell!« Sie zog
den widerstrebenden Krantz in Richtung des Eingangs.
    Andreas huschte durch die Tür des Turmes und suchte nach
dem Büttel. Er fand ihn unter der Philosophenkammer in
seiner Wachstube. Als Andreas ihm von dem geplanten Anschlag auf
die Ratsversammlung berichtete, fuhr er sich mit der großen
Hand durch den ausladenden Bart. »Hmm«, meinte er.
»Das kann ich einfach nicht glauben.«
    »Wo könnte man ein Fass Schwarzpulver anbringen,
wenn man den Ratssaal treffen will?«, fragte Andreas
verzweifelt. »Wenn Ihr mir nicht glaubt, sehe ich halt
selber nach. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.
Wahrscheinlich hockt der Täter bereits irgendwo dort unten.
Vielleicht legt er gerade in diesem Augenblick Feuer an die
Lunte!«
    Der Büttel dachte nach. Lange. Sehr lange. Andreas rang
die Hände. »Was ist denn verloren, wenn wir
nachsehen?«, sagte er verzweifelnd. »Auch Euer
eigenes Leben ist in Gefahr. Ist Euch das etwa
gleichgültig?«
    Der Büttel sah ihn an, als sei ihm dieser Gedanke noch
gar nicht gekommen. Schließlich erhob er sich von seinem
Stuhl, auf dem er die ganze Zeit über gesessen hatte, nahm
einen Bund mit großen Schlüsseln vom Haken neben der
Tür und verließ seine Wachstube. Andreas atmete auf
und folgte ihm. Der Büttel führte ihn schweigend eine
Wendeltreppe hinunter in die Katakomben des Rathauses. Am
Fuß der Treppe nahm er eine Laterne von der Wand,
entzündete sie und eilte wie ein Schatten durch die
gewölbten Gänge tief in den Eingeweiden der Erde.
Andreas fühlte sich, als träume er. Immer noch
erwartete er jeden Moment die große Detonation. Ganz fern
kam ihm der Gedanke, dass er die Explosion nicht überleben
werde, doch es war ihm gleichgültig. Es war ihm, als befinde
er sich außerhalb seiner selbst. Die Schwelle zum Tod war
für ihn wie ein Spiegel, vor dem er stand und in dem er nur
einen Fremden sah.
     
    Als Elisabeth den großen Ratssaal betrat, fühlte
sie sich schwach und winzig. Der gewaltige Saal war ungeheuer
lang und breit und besaß ein Spitzbogengewölbe aus
Holz. Die Wände waren mit steinernem Maßwerk verziert,
und das Licht fiel durch zweibahnige, große Fenster in den
Langseiten. Die Ratsherren in ihren schwarzen, strengen Habiten
saßen auf Gestühlen entlang der Wände; einige
spielten mit ihren braunen Amtsstäben, andere lauschten
aufmerksam dem Bürgermeister, der von der südlichen
Stirnwand aus eine Rede hielt. Als Elisabeth mit Krantz eintrat,
dessen Ärmel sie noch immer fest gepackt hielt, richteten
sich die Blicke aller Ratsherren auf sie. Der Bürgermeister
wandte sich hinter seinem großen Tisch an Elisabeth. Das
hereinfallende Sonnenlicht zauberte blendende Reflexe auf seine
schwere Amtskette. Er fragte mit donnernder Stimme: »Was
soll diese Störung?«
    Elisabeth räusperte sich und sagte: »Verzeiht mein
Eindringen, doch Ihr schwebt in größter Gefahr! Alle
sollten sofort den Saal verlassen.«
    Allgemeines Gelächter
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