Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor
Autoren: Michael Siefener
Vom Netzwerk:
endlich!« Er hob die Faust.
    Andreas berührte ihn sanft am Arm und schüttelte den
Kopf. Dann kniete er sich vor Bonenberg. »Ihr habt gesagt,
dass Ludwig und Dulcken aus einem Grund sterben mussten, den wir
nie erraten würden. Euch bleibt nun keine Wahl mehr. Ihr
seid am Ende Eures Weges angelangt. Also könnt Ihr es uns
endlich sagen. Ihr dürft sogar beichten. Ich werde das, was
Ihr mir in der Beichte anvertraut, niemandem
erzählen.«
    Bonenberg sah Andreas mit seinem einen Auge böse an; das
andere war inzwischen zugeschwollen. »Nichts werde ich dir
sagen. Gar nichts.«
    Andreas zuckte die Achseln und stand auf. Seine Geduld war am
Ende. Dieses Scheusal hatte es nicht besser verdient. Er nickte
dem Engländer zu. Seine Faust traf das gesunde Auge. Er
schlug immer wieder zu, bis Bonenbergs Gesicht eine Masse aus
Blut und geschwollenem Fleisch war. Andreas bemerkte entsetzt,
dass er diesem schrecklichen Schauspiel mit einigem Behagen
zusah. Doch der Kaufmann grinste immer noch und sagte kein Wort.
Das Licht in der Laterne verlosch, die Kerze war ausgebrannt, und
der Mond hatte sich inzwischen hinter Sankt Severin versteckt.
Die Kirche lauerte wie ein riesiges, sprungbereites Tier jenseits
der Weingärten. Man sah kaum mehr etwas und hörte nur
das röchelnde, schwere Atmen des geschundenen Kaufmanns. Die
Zeit schien stillzustehen. Andreas wusste nicht mehr, was man
noch tun konnte. Auch Elisabeth schien ratlos zu sein. Es war,
als habe sich ein Tuch aus Blei über die sechs Personen
gelegt. Niemand rührte sich. Dann schlug die Glocke von
Sankt Severin.
    Die klaren Töne perlten durch die Luft und schienen den
Himmel weit im Osten in ein zartes Rosa zu tauchen. Immer
deutlicher dämmerte nun der Morgen herauf. Vögel sangen
und begrüßten das neue Licht. Andreas setzte sich in
das taufeuchte Gras zwischen die Reben und stützte den Kopf
in die Hände. Palmer stand reglos da und schaute nach Osten.
Barbara schluchzte leise; Elisabeth und Anne saßen neben
ihr. Es war nicht mehr zu erkennen, ob sie die Witwe bewachten
oder ihr Trost spendeten. Dann schälten sich die
unzähligen Giebel und Kirchtürme der Stadt aus der
Dunkelheit; schwarz standen sie vor dem roten Morgen. Ferne
Glocken begrüßten den neuen Tag. Heinrich Bonenberg
begann zu lachen.
    »Warum lacht Ihr?«, fragte Andreas müde.
    »Ihr wollt erfahren, warum Euer bester Freund sterben
musste?«, erwiderte Bonenberg. Das Sprechen schien ihm
schwer zu fallen.
    Andreas bewegte sich nicht. »Ja«, sagte er nur
leise und matt.
    »Jetzt kann ich es Euch sagen. Bald wird eine
schreckliche Explosion diese schöne Stadt erschüttern.
Es wird viele Tote geben, und Ihr könnt nichts mehr dagegen
tun. Der Klang des Todes wird Musik in den Ohren all jener sein,
die so heldenhaft gegen die Verhansung Kölns gekämpft
haben.«
    Andreas begriff nicht, was er da hörte. »Was hat
die Verhansung mit alldem zu tun?«, fragte er und schaute
in die Ferne hinter der neuen Sonne und der wiedergeborenen
Stadt.
    »Wir haben es vor allem dem Einfluss von Ludwig
Leyendecker zu verdanken, dass sich die Befürworter des
Englandhandels im Rat der Stadt durchgesetzt haben. Es war allen
Beteiligten klar, dass damit die Entfernung aus dem Bund der
Hanse eine beschlossene Sache war«, erklärte Bonenberg
langsam und mühselig. »Und für alle, die für
ihren Handel auf die Hanse angewiesen waren, bedeutete das den
Ruin – zum Beispiel für mich. Und auch für
Johannes Dulcken. Ludwig hingegen hatte
traditionsgemäß immer das größte
Geschäft mit dem Stalhof gemacht und versprach sich durch
den Hinauswurf der Stadt aus dem Hansebund noch bessere
Geschäfte. Vielleicht hätte er sogar überlebt,
wenn er nicht zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen
wäre.«
    »Was willst du damit sagen?«, schaltete sich
Elisabeth in das Gespräch ein. »Spielst du auf diese
rätselhafte Zusammenkunft im Waterstone Inn in London an, an
der du teilgenommen hast?«
    »In der Tat«, meinte Bonenberg langsam. »Er
hat uns durch Zufall belauscht und dabei erfahren, dass wir
planen, das Rathaus der Stadt zu sprengen. Er hat aber nicht
bemerkt, dass er uns aufgefallen war. Sofort nach seiner –
und meiner – Rückkehr nach Köln haben wir ihm die
Schlinge um den Hals gelegt – im übertragenen und im
wörtlichen Sinne.« Er kicherte. »Das Rathaus
wird in dem Augenblick in die Luft fliegen, in dem der Rat
zusammentritt. Wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher