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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor
Autoren: Michael Siefener
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Heynrici ein
langes Messer in die Seite. Mit einem seltsamen, pfeifenden
Geräusch ging der alte Mann zu Boden, hielt sich aber noch
an Elisabeths Kleid fest. Es riss an den Bändern, mit dem es
vor der Brust geschnürt war, der Länge nach auf.
Elisabeth stieß einen spitzen Schrei aus. Die anderen
Ratsmitglieder hatten aufgeschlossen. Andreas schien aus seiner
Benommenheit erwacht zu sein. Er sah Elisabeth im Schein der
Fackeln an. Sah ihre entblößte Brust. Sah es.
     
    Andreas rieb sich die Augen. Nun wusste er, warum Elisabeth
sich seiner Nähe immer entzogen hatte. Nun wusste er, warum
Ludwig sie an Bonenberg verheiratet hatte. Nun wusste er, warum
sie bei ihm geblieben war. Er wusste es in dem Moment, als er
unter ihren schönen kleinen Brüsten die zwei weiteren
Warzen und die winzigen Hügel sah. Er bemerkte, wie Heynrici
ebenfalls auf Elisabeths entblößten Oberkörper
starrte. »Hexe!«, röchelte er.
»Hexe!«
    Andreas musste schnell handeln. Er warf sich vor Elisabeth und
versuchte linkisch, ihr Kleid über der Brust
zusammenzuziehen. Niemand sonst hatte es bisher gesehen. Niemand
durfte es je sehen, denn sonst wäre es um Elisabeth
geschehen. Die beiden überzähligen kleinen Brüste
und Warzen würden von jedermann als Hexenzeichen gedeutet
werden.
    Und wenn sie wirklich eine Hexe war?, schoss es Andreas durch
den Kopf. Er stand ganz nah vor ihr, berührte mit den
Händen ihre Brüste, die oberen, die unteren. Tausend
heftige Empfindungen durchströmten ihn. Er zerrte ihr das
Kleid über die Blöße. Sofort nestelte sie an den
Bändern, doch sie waren zerrissen. Andreas zog den
Priesterrock aus und legte ihn der jungen, vor Angst zitternden
Frau um. Die Zeit schien gefroren zu sein. Niemand sonst bewegte
sich. Wie durch Watte vernahm Andreas das Keuchen des am Boden
liegenden Heynrici; ansonsten war es so still, dass er das Blut
in seinen Ohren rauschen hörte. Als Elisabeth in das
schwarze Gewand eingewickelt war, schenkte sie Andreas ein
zaghaftes Lächeln. Als er es erwiderte, wurde ihr
Lächeln strahlender. Und sogar ein wenig schelmisch. Andreas
stand in Hemd und Lendentuch vor ihr. Er bemerkte es kaum. Krantz
war immer noch hinter ihnen, das blutige Messer in der Hand.
Andreas schaute hinunter zu Heynrici. »Warum?«,
fragte er leise. »Warum?«
    Der alte, für so fromm gehaltene Mann flüsterte:
»Will beichten…«
    »Bitte lasst uns allein«, sagte Andreas zu den
Ratsherren. »Das hier ist nur noch eine Sache zwischen
diesem Mann, Gott und mir. Und nehmt euren Büttel mit. Er
ist nur ohnmächtig.«
    Krantz ergriff die Gelegenheit als Erster. Er wischte das
Messer an seinem Hemd ab, steckte es in den Gürtel und ging.
Die anderen folgten ihm mit ihren Fackeln. Elisabeth sah dem
hageren Ratsherrn mit dem verträumten Blick wütend und
hilflos nach. »Dieser Schuft«, sagte sie.
    Andreas wusste nicht, was sie meinte. Anderes war nun
wichtiger. Er kniete sich neben Heynrici und brachte sein Ohr
nahe an den Mund des Sterbenden. »Beichte, und deine
Sünden werden dir vergeben«, sagte er mit leiernder
Stimme. Und setzte hinzu: »Warum?«
    »Ich… ich…« Heynrici bäumte
sich auf und ließ sich mit einem Ächzen wieder
zurückfallen. Unter seinem Körper breitete sich eine
Blutlache aus. »Ich wollte das Rathaus und alle darin in
die Luft sprengen.«
    »Warum?«, fragte Andreas erneut.
    »Sie haben mich darum gebeten.«
    »Wer?«
    »Die Verschwörer. Sie wollten die Verhansung
aufheben.«
    »War das auch Euer Ziel?«
    »Nein…«
    »Warum also?« Andreas begriff diesen Mann immer
weniger.
    »Die Toten…«
    »Welche Toten?«
    »Es wären so viele gewesen. Ich wollte ihnen nahe
sein. Ich wollte ihre letzten Worte hören. Vater, ich habe
so viel gesündigt.«
    »Sprich weiter«, sagte Andreas angeekelt. Nun erst
spürte er, wie die kalte Luft des Kellergewölbes ihm um
die nackten Beine fuhr. Das Licht aus der umgestürzten
Laterne riss Löcher in die Schatten und die Dunkelheit.
    »Ich… ich habe den Herrn versuchen wollen«,
sagte Heynrici schwer. »Ich habe ungeheuer Gutes getan und
dagegen das vollkommen Böse gesetzt. Ich habe den Kranken
geholfen und viele von ihnen eigenhändig
getötet.«
    »Warum?« Andreas war zu keinen tiefer gehenden
Fragen mehr in der Lage. Heynricis Beichte wurde immer
ungeheuerlicher.
    »Ich wollte aus den letzten Worten der Sterbenden meinen
Zauber formen, nachdem die Bücher nichts hergegeben
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