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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen
Autoren: P Dempf
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1
    Der falsche Handel
    E s gibt Tage, an denen einem das Glück regelrecht ins Gesicht schlägt und man den Schmerz dieser Ohrfeige nicht als Gewinn empfindet.
    So ging es Jan, als der Raubvogelfinger auf ihn niederstieß.
    »Der hier?«
    Unerwartet blieb der Mann vor Jan stehen und drückte ihm den spitzen Finger gegen die Brust. Der Besitzer des Fingers war eher klein, schmuddelig, beinahe kahlköpfig, und sein Gesicht sah aus, als hätte man es lange gegen ein Brett gedrückt, so verschoben war es. Jan wollte auf keinen Fall von ihm berührt werden. Und wie das Glück persönlich sah der Mann auch nicht gerade aus. Außerdem roch er nach Alkohol und etwas, was Jan noch niemals gerochen hatte. Mit einem Finger voller bunter Flecken stieß er erneut auf Jans Brust ein, sodass der unwillkürlich zurückwich.
    »Der, Messer Arcimboldo?«
    Die Frage richtete er erneut an den älteren Mann, der unter dem Torgatter stand und den er in welscher Manier »Messer«, also Herr oder Meister, genannt hatte. Der Ältere war besser gekleidet und musterte die Jungen, die sich längs der Bretterwand aufgestellt hatten, wie man Nutzvieh auf einer Auktion aufreiht: dreizehn junge männliche Waisen von fünf bis fünfzehn Jahren. Der Verschlag blieb im Halbdunkel. Das hatte Hajek, der Leiter des Waisenhauses, so vorgesehen, damit die Makel der Jungenschar wie Grind
und Schorf, Auszehrung und deformierte Knochen nicht ganz so deutlich sichtbar wurden. Hajek, selbst einer Vogelscheuche nicht unähnlich, stand bei ihm und dienerte.
    Messer Arcimboldo, der im Türrahmen stehen geblieben war, nickte leicht. Seine Augen maßen Jan von Kopf bis Fuß. In seinem scharf geschnittenen Gesicht zuckte kein Muskel. »Ja, er wird es wohl sein, Contrario.«
    »Woher wollt Ihr das wissen, Messer Arcimboldo?«, fragte der schmutzige Kerl vor ihm nach. Als er nach Jans Kinn griff, um den Kopf ins Profil zu drehen, erwischte der Junge einen Finger und biss zu. »He, lässt du das?«
    Messer Arcimboldo blickte dem Jungen kurz in die Augen, lächelte und nickte.
    »Er ist der Richtige, Contrario. Und er ist hungrig. Ich brauche einen hungrigen jungen Kerl.«
    »Messer Arcimboldo«, mischte sich Hajek mit seiner wie zerbrochen klingenden Stimme ein, »er ist so gut wie jeder andere. Aber er beißt, wie Ihr selbst gesehen habt, und ist auch sonst eher störrisch und eigenwillig. Ihr tut Euch damit keinen …«
    »Still jetzt«, fauchte Contrario, der noch immer dicht vor Jan stand, und schnitt Hajek das Wort ab.
    Jan verabscheute diesen Kriecher Hajek, der das Waisenhaus für Jungen leitete, das an der Nordmauer lag. Dem wohlhabenden Fremden wäre der Kerl am liebsten in den Hintern gekrochen, nur damit er wieder einen Esser weniger füttern musste. Gleichzeitig bewunderte Jan ihn auch. Schließlich brachte er es immer wieder fertig, Männer und Frauen wie diesen Messer Arcimboldo hierher zu locken, damit sie sich eines der Jungen annahmen.
    »Nehmt den daneben, der ist harmlos und zahm wie ein Hündchen«, sagte Hajek und grinste. Jan hasste ihn dafür. Hajek deutete mit seiner vor Schmutz starrenden Hand auf
Jerzy, der direkt neben Jan stand. »Er sieht etwas dünn aus, das gebe ich zu, aber er ist zäh und …«
    »Halt endlich den Mund!«, fuhr Messer Arcimboldo ihn an. »Wir nehmen den.« Er deutete unmissverständlich auf Jan. »Lass ihn das überziehen, Contrario!«
    Mit diesen Worten warf er Contrario-Buntfinger, wie Jan den Kerl vor sich mittlerweile nannte, ein Bündel zu.
    Geschickt fing der es mit einer Hand auf. Das zusammengelegte Kleidungsstück faltete sich auf. Jan wusste, dass spätestens jetzt allen Jungen die Augen übergingen und der Neid grenzenlos wurde. Es war ein neues, völlig makelloses Leinenhemd.
    Wenn er das neue Leinenhemd mit seinen eigenen Lumpen verglich, wusste er nur eines: Es musste herrlich auf der Haut beißen und jucken, weil es jeden Flecken seines Körpers bedecken würde. Sein altes Hemd dagegen biss schon deshalb nicht mehr, weil es beinahe ausschließlich aus Löchern bestand. Nein, dieses Geschenk durfte Jerzy nicht bekommen. Jerzy, den Hajek so angepriesen hatte, würde es nur voll Blut husten. Er war krank, wie viele der Jungen. Sie alle wussten, dass Jerzy nur noch ein paar Monate zu leben hatte, auch Hajek. Wenn ihn der Bluthusten nicht noch schneller unter die Erde brachte.
    »Nimm! Den alten Fetzen runter und das Hemd angezogen!«, bellte Buntfinger seinen Befehl.
    Jan zögerte keinen Augenblick. Er trug
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